Eine Replik im Politblog von Newsnetz.
In seiner Polemik vom 14. Dezember schreibt René Lenzin, die Städte sollen mit Jammern aufhören. Ihr Problem seien nicht die Zentrumslasten, sondern dass sie zu teuer bauten und sich immer eine Extrawurst gönnten.
Tatsache ist: Die Chef-Jammeri sind andere. Im freundeidgenössischen Verteilungskampf machen nicht die Städte und auch nicht die Kantone mit grossen Städten am lautesten die hohle Hand. Erfolgreich jammert vielmehr die Alpen-Opec. Die angeblich strukturschwachen Kantone der Innerschweiz, die gleichzeitig dank ihrer Zentrumsnähe und Beiträgen aus dem Finanzausgleich mit Dumping-Steuersätzen den Zentrumskantonen Firmen und Top-Steuerzahler abjagen. Das betrifft nicht nur die Stadt sondern auch den Kanton Zürich. Mit Obwalden wird ein Kanton Zürich steuerlich niemals mithalten können. Wegen der Zentrumslasten.
Man kann wie René Lenzin – argumentieren, dass niemand gezwungen wird, eine Universität, ein Kunstmuseum, ein Opernhaus oder eine S-Bahn zu betreiben. Ich hoffe, er meint damit nicht, dass man grundsätzlich auf diese Dinge verzichten soll. Vermutlich meint er damit auch nicht, dass nur Städter eine Universität oder ein Museum besuchen wollen oder sollen – damit täte er allen Nicht-Städtern ziemlich unrecht.
Wer in Freienbach wohnt, der tut dies vermutlich nicht wegen der Schönheit des Ortes, sondern wegen des tiefen Steuerfusses – und der Nähe zur Stadt Zürich. Deshalb sagen wir Städter, dass es nicht sein kann, dass wir die Universitäten, Opernhäuser, Trams und S-Bahnen alleine bezahlen. Schliesslich werden sie nicht nur von uns benutzt. Sondern auch von vielen anderen Menschen. Das ist auch gut so. Es ist einfach nicht gratis.
Es ist auch nicht so, dass die Städte am Tropf ihres Umlandes hängen. Die Stadt Bern und Umgebung schleppt das strukturschwache Emmental und Oberland mit. Die Finanzen des Kantons Basel-Stadt sind im Vergleich zum Kanton Basel-Land in bester Verfassung. Und die Stadt Zürich steht im fünften Jahr nach der Finanzkrise und dem Ausfall ihrer grössten Steuerzahlerfinanziell solide da. Die grossen Städte sind die Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung der Schweiz.
Nur die Stadt Luzern hat finanzielle Probleme. Das liegt aber weniger am teuren KKL, sondern am innerschweizerischen Steuerwettbewerb. Die Luzerner hatten ihre Unternehmenssteuern massiv gesenkt. Doch die ersehnten Firmen, die sie von Zürich weglocken wollten brausten – um es in den Worten des Zürcher Finanzvorstand Martin Vollenwyder zu sagen – «im ICE ohne Halt durch Luzern bis Alpnach, um dort eine Lizenzbox zu eröffnen».
Bleibt Lenzins Kardinalsargument: Die teuren Bauten, die Zürich errichtet. Tatsächlich legt Zürich beim Bauen Wert auf Qualität. Wenn man an den Siedlungsbrei in der Hüslischweiz denkt und an verlebte Siebzigerjahre-Dorfkerne, so ist man versucht zu denken, dass etwas Qualität in der Stadtentwicklung nicht schadet. Zürich lässt seine Infrastruktur nicht verlottern. Mit ein Grund, warum die Stadt Zürich in Umfragen über Lebensqualität immer gut abschneidet. Man stelle sich auch vor, die Menschheit hätte beim Bauen immer nur auf das Preisschild geachtet. Die Welt sähe ziemlich anders aus. Und gewiss nicht schöner.
Die Zürcherinnen und Zürcher haben sich zudem entschlossen, ihren Energieverbrauch zu senken und die 2000-Watt-Gesellschaft anzustreben. Müssen tun wir dies nicht. Aber Klima- und Umweltprobleme machen nicht an den Stadtgrenzen halt. Unser Beitrag zur Lösung hilft allen. Städte sind immer auch Innovationsträger. Probleme einer Gesellschaft (z. B. 24-Stunden-Gesellschaft) treten in den Städten oft früher auf als auf dem Land und werden dafür auch früher wieder gelöst. Die Drogenpolitik ist dafür nur ein Beispiel.
Die Schweiz hat keine Metropolen. So schmückte sich Zürich lange bloss treffend mit dem Attribut «Little Big City». Die Schweiz ist ein Land des Ausgleichs. So bleiben die Städte beschaulich, aber auch das Hinterland kultiviert. Gleich wie sich die Stadt Zürich in der Berghilfe engagiert und der Kanton Bern das Emmental nicht aufgeben will, sind auch das Land und die Agglomeration auf die Stadt angewiesen. Schon in der alten Eidgenossenschaft blieben die Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden nicht lange allein. Bereits 1351 schlossen sich die Stadt Zürich und 1353 die Stadt Bern der Eidgenossenschaft an. Konfliktfrei blieb das Verhältnis zwischen Stadt und Land nie. Aber alle wussten, es braucht beide: Land und Stadt.