Für Clack schreibe ich neu eine Kolumne. Diesmal über Französisch und was man später im Leben alles bereut.
«Je ne regrette rien», ich bereue nichts, sang Edith Piaf inbrünstig. Auf der anderen Seite des Atlantiks stiess Frank Sinatra mit «My way» (mein Weg) ins gleiche Horn. Das klingt gut, wurde darum auch zum Welthit und wird daher immer wieder gern von Betrunkenen in der Karaoke-Bar gegrölt.
Nur – wer bereut denn wirklich nichts? Ganz sicher nicht die Betrunkenen aus der Karaoke-Bar. Und auch ich bereue eine Menge Dinge. Ich bereue, dass ich gewisse Kleider in die Kleidersammlung gegeben habe. Ich bereue es, meinem Chef damals nicht die Meinung gesagt zu haben. Ich bereue es, wenn ich zu viel gegessen habe und ich bereue es, wenn ich zu viel getrunken habe. Aber wirklich ernsthaft bereue ich, dass ich so schlecht Französisch kann.
Im Thurgau wurde jüngst der Entscheid getroffen, mit dem Frühfranzösisch aufzuhören. Der Entscheid hat eine nationale Debatte ausgelöst. Ob das Frühfranzösisch real zu besserem Französisch verhilft, mag ehrlicherweise fraglich sein – aber darum geht es nur am Rande. Es geht um einen Kanton – und eigentlich um die ganze Deutschschweiz – die so denkt, wie ich damals in der Schule dachte. Nämlich: Französisch ist kompliziert und mühsam, ich werde es eh nie brauchen und lerne daher lieber Englisch. Darum kann ich jetzt einigermassen gut Englisch und nur mit Ach und Krach Französisch. Dank meinen Englisch-Kenntnissen kann ich jetzt Serien und Bücher in der Originalsprache konsumieren. Das hat durchaus Vorteile. Aber wirklich gebraucht habe ich es nie. Ganz im Gegenteil zum Französisch.
Wer in einer nationalen Organisation, einem Verband oder einer Firma arbeitet, muss Französisch können. Weil ein Teil der Schweiz Französisch redet. Und damit auch ein Teil der Angestellten. So einfach ist es. In einem lokalen KMU oder im multinationalen Konzern braucht es vielleicht keiner. Überall sonst schon.
Der SVP-Nationalrat Peter Keller schrieb in einem Beitrag auf Politblog, die Welschen sollen anerkennen, dass die Deutschschweizer Kinder zuerst «mühsam Hochdeutsch lernen» müssten. Er verschweigt dabei, dass die SVP selber für die Mühen sorgt, indem sie Hochdeutsch im Kindergarten verbietet. Und dass die meisten Kinder – dem TV sei Dank – ganz gut Hochdeutsch können und im Laufe des Lebens verlernen, denn zu gutes Deutsch schickt sich nicht in der Schweiz. Ja, wir Deutschschweizer klingen gerne wie Dorftrottel, das haben wir mühsam erlernt. Vielleicht bricht da etwas meine innere Tiger Mom durch: Aber mir scheint es ein etwas schräges Bildungskonzept zu sein, die Kinder möglichst wenig herauszufordern.
Egal ob man Französisch je braucht oder nicht. Es stellt sich auch die Frage des nationalen Zusammenhalts. Warum das ausgerechnet der SVP piepegal ist, muss sie selber für sich beantworten. Was wir Deutschschweizer aber nicht nachvollziehen können ist, wie es sich anfühlt, Teil einer Minderheit zu sein. Die nicht verstanden und häufig überstimmt wird. Das wird kaum besser, wenn die Mehrheitskultur ihnen zu verstehen gibt, dass ihre Meinung und ihre Befindlichkeit sie nicht interessiert.
Und ja, leider ist vieles wahr, was man als Kind gesagt kriegt, aber partout nicht glauben will. Ja, man bereut es später schlecht Klavier zu spielen und schlecht Französisch zu können. Die Kinder werden es wohl auch in Zukunft nicht glauben. Aber wir Erwachsenen sollten es besser wissen.