Über weibliche Vorbilder in der Popkultur im clack.
Einem mir bekannten Drehbuchautor, wurde mal zum Vorwurf gemacht, dass er keine Frauenfiguren schreiben kann. Er ist da anderer Meinung. Er könne einfach nur einen Typus Frau schreiben: Das Bubenmädchen. Die Videoblogs (Feminist Frequency auf Youtube) von Anita Sarkeesian setzten sich mit weiblichen Stereotypen in Filmen, Serien und Games auseinander. Wenn man sich wie ich für nerdige, überintellektualisierte Deutungen von Popkultur begeistert, ist die Serie absolut empfehlenswert. Interessanterweise war aber bei all ihren Stereotypen eines nicht dabei: Das Bubenmädchen.
Als ich klein war, schrieb ich einmal einen erzürnten Brief an den Pelikan-Verlag, der Herausgeberin der TKKG-Serie. TKKG steht für Tarzan, Karl der Computer, Klösschen und Gaby, die in einer Buchserie Verbrechen aufklären und Abenteuer erleben. Der Grund meiner Aufregung: Immer wenn es brenzlig wurde, musste Gaby zu Hause bleiben. Es ging mir damals wie heute einfach nicht in den Kopf, warum der Anführer Tarzan, für eine brenzlige Situation zwar den dicken Klösschen und den ungelenken Karl mitnahm, aber niemals Gaby. Im Gegensatz zu einer anderen beliebten Jugendbuchserie: 5 Freunde. Dort ist ein Mädchen auch dabei, wenn es abgeht. Nämlich George, das Mädchen, das ein Bub sein wollte. Wenn man von den üblichen Pferde- und Internats-Büchern absieht, gab es also nur zwei Rollen für Mädchen: Dekoration oder Bubenmädchen.
Frauen, die sich als Männer verkleiden, sind ein häufiges Motiv in der Geschichte und in der Fiktion. Wie beispielsweise Jeanne D’Arc, die sich als Mann verkleidete, um Frankreich zu befreien. Oder das chinesische Mädchen Mulan im gleichnamigen Zeichentrickfilm. Das Bubenmädchen ist aber nicht immer ein als Bube verkleidetes Mädchen, sondern häufig auch eine Frau oder ein Mädchen, die den gängigen Rollenmustern widerspricht.
Vielen Autoren geht es wie meinem Bekannten: Wenn es darum geht, eine starke oder interessante Frauenfigur zu schreiben, landen sie beim Bubenmädchen. Und kleinen Mädchen geht es gleich: Potenzielle Vorbilder in Funk und Fernsehen sind immer Bubenmädchen. Und Nicht-Bubenmädchen sind fast immer nervig. Exemplarisch dazu Indiana Jones 1 und 2. In «Jäger des verlorenen Schatzes» trank die burschikose Marion Indy alle unter den Tisch, musste zwar gerettet werden, aber trug doch einiges dazu bei. In «Tempel des Todes» hingegen kreischt die blonde Hauptdarstellerin den gefühlten ganzen Film lang durch. In diesem Film kam noch eine andere Drehbuchsünde vor: Das naseweise Kind. Drehbuchautoren denken dabei, das Zielpublikum (also Kinder) würden sich dann mit diesem identifizieren können, in der Regel ist es aber bloss nervig. Vergleiche dazu auch Wesley Crusher in Star Strek Enterprise. Aber ich schweife ab.
Das Problem an der Figur des Bubenmädchens ist, dass sie davon ausgeht, dass Frauen nur dann stark und cool sein können, wenn sie sich wie Männer verhalten oder sogar wie Männer aussehen. Im üblichen Muster verliert das Bubenmädchen auch ihre Stärke, sobald sie sich verliebt. Sie realisiert dann, dass sie – um den Mann ihrer Träume zu gewinnen – eben doch ganz Frau sein muss.
Das ganze lässt ausser Acht, dass Frauen und Männer mehr sind als Geschlechtsteile und Hormone und nicht bloss binäre Systeme, kein Ying oder Yang. Es gibt feminine Männer und burschikose Frauen, genauso wie es die klassischen Geschlechtsidentitäten gibt und einige Stufen dazwischen. 1990 erschien Judith Butlers Buch «Das Unbehagen der Geschlechter», in dem diese Binarität der Geschlechtsidentitäten in Frage gestellt wurde. Facebook soll mittlerweile 56 verschiedene Geschlechteridentitäten zur Auswahl stellen. So kompliziert muss es nicht sein. Aber es braucht einfach mehr Verschiedenheit bei der Darstellung von beiden Geschlechtern. Das zweite Problem ist, dass das positiv konnotierte Bubenmädchen kein männliches Pendant hat. Der sensible und emotionale Mann bleibt meistens Witzfigur. Aber bis es soweit ist, bleibt das Bubenmädchen trotzdem meine Favoritin.