Fake-News wurden innerhalb kurzer Zeit vom besorgniserregenden Phänomen zum politischen Kampfbegriff. So wird Fake-News wahlweise für eine politische Meinung verwendet, die einem vielleicht nicht passt, oder für simple Fehler, die nun einmal vorkommen können. So hat die Schreiberin in ihrem letzten Artikel dänische Smørrebrød mit schwedischem Smörgåsbord verwechselt, wie die hauseigene Nordistin Nicole Soland tadelnd feststellte. Das ist Nachlässigkeit der Schreiberin, aber keine Fake-News. Wirkliche Fake-News sind politisch motivierte Falschmeldungen. So wie es diese im US-Wahlkampf gab, wo teilweise frei erfundene Geschichten über die sozialen Medien verbreitet wurden. Zum Beispiel, dass der Papst Donald Trump unterstütze. In Deutschland werden über die sozialen Medien gerne frei erfundene Zitate von irgendwelchen, meist grünen, PolitikerInnen verbreitet, die dann dort sagen, dass halt Zwangsehen mit siebenjährigen Kindern zur multikulturellen Gesellschaft gehören. Das sind klare Fake-News, Falschmeldungen, die nichts mit Fakten oder Wahrheit zu tun haben.
Grenzfälle sind jene Mediengeschichten, die vielleicht wahr sind, aber einen stutzig machen, weil sie in so zyklischer Regelmässigkeit erscheinen. Zum Beispiel: XYZ ist die neue Partydroge bei den Jungen (Hustensirup! Ritalin!). Oder: Immer mehr alleinstehende Frauen bestellen sich Sperma aus dem Internet. Oder: LehrerIn verbietet das Singen von Weihnachtsliedern in der Schule, damit Muslime nicht in ihren religiösen Gefühlen verletzt werden. Nun mag das stimmen, dass Jugendliche Hustensaft als Droge nehmen, alleinstehende Frauen im Internet nach Samenspendern suchen oder LehrerInnen nicht mehr Weihnachtslieder singen wollen. Aber die Geschichten riechen doch oft ein wenig nach sauren Gurken.
Viel verbreiteter als Fake-News sind aber schlicht No-News. Damit ist nicht gemeint, dass man sich vielleicht aufregt, dass die Medien zu viel über Trump oder Blocher berichten. Man kann sich selbstverständlich fragen, ob es nicht auch andere Themen gäbe. Warum Umweltthemen beispielsweise im Moment gerade keine Konjunktur haben. Warum aus afrikanischen Ländern nur berichtet wird, wenn Krieg herrscht oder eine Hungersnot ausgebrochen ist. Warum die Produktionen des Schauspielhauses so viel prominenter besprochen werden als jene des Sogar Theaters. Aber trotzdem muss man sich eingestehen, dass Trump nun mal der Präsident des mächtigsten Lands dieser Erde und Blocher die starke Figur der grössten Schweizer Partei ist. Es sind nun mal News, auch wenn sie uns nicht immer gefallen.
Mit No-News meine ich Geschichten, die eigentlich keine sind. Zum Skandal heraufgeschriebene Banalitäten. Ein Paradebeispiel hierzu ist die in der ‹Schweiz am Wochenende› erschienene Geschichte über das Lobbying der SRG. Die SRG habe, so las man da, eine interne Gruppe, die ein Papier verfasst hat, wie sie gegen die No-Billag-Initiative vorgehen soll. Geplant sind unter anderem Gespräche mit ParlamentarierInnen. Die SRG-KritikerInnen griffen die Geschichte dankbar auf: Die (böse) SRG betreibt (böses) Lobbying! Behördenpropaganda mit Staatsgeldern! Dabei macht die SRG lediglich das, was eigentlich selbstverständlich ist. Sie setzt sich mit einer Initiative auseinander, die ihre Existenz bedroht, und will sie verhindern. Ein Skandal wäre eher, wenn sie dies nicht täte.
Diese Kampagnengeschichten sind beliebt. Umso beliebter, wenn ein umstrittener Akteur dahinter steht. So enthüllte der ‹Sonntags-Blick› einmal, dass die PR-Agentur Farner für die Abstimmungskampagne zur Fortpflanzungsmedizin ein Wording und ein Argumentarium vorgeschlagen hat. Also eine inhaltliche Hilfe und eine Sprachregelung für die am Abstimmungskampf Beteiligten. Letztens veröffentlichte der ‹Tages-Anzeiger› ein Protokoll aus einer Kampagnensitzung der Economiesuisse zur Unternehmenssteuerreform III. Dort fanden die Beteiligten, dass sie das Abstimmungsdatum im Februar günstiger finden würden als ein späteres Datum. Beide Geschichten waren prominent aufgemacht. Nur – wo ist der Skandal? Es wäre beispielsweise einer, wenn Farner in der Abstimmungskampagne Unwahrheiten verbreitet hätte. Oder wenn der Bundesrat die Abstimmungstermine mit der Economiesuisse koordinieren würde. Für beides fand man in den Artikeln keine Hinweise. Farner und Economiesuisse taten einfach, was man in einer Abstimmungskampagne so tut. Zum Beispiel Argumentarien schreiben oder über das Abstimmungsdatum reden. Das macht die jeweilige andere Seite auch. Sie hat dafür vielleicht bloss keine teure PR-Agentur oder einen mächtigen Wirtschaftsverband zur Seite. Der Skandal wären also kaum die Methoden, es sind die Mittel. Und zwar die finanziellen Mittel, die bei gewissen Kampagnen extrem ungleich verteilt sind. Und über die keinerlei Transparenz herrscht. Die Schweiz hat als einzige westliche Demokratie überhaupt keine Regelung bei der Finanzierung von Kampagnen. Der Nationalrat hat – im Gegensatz zu kantonalen oder kommunalen Parlamenten – nur äusserst rudimentäre Ausstandsregelungen. Die einflussreichsten Lobbyisten sitzen also in den Kommissionen und nicht in der Wandelhalle. Das interessiert aber niemanden gross. Der Transparenzinitiative, die grosse Spenden offenlegen will, fehlen noch 50 000 Unterschriften. Die Frist läuft bald ab.
Das Ärgerliche an solchen No-News sind, dass sie ein Unbehagen schüren. Ebenfalls ärgerlich ist jene Politik-Berichterstattung, die Politik mit Sport verwechselt. Die lieber über die Form schreibt als über den Inhalt. Besonders ärgerlich sind da die US-JournalistInnen, die bei TV-Debatten oder Reden nur darüber schreiben, wie etwas gesagt wurde und nicht, was überhaupt gesagt wird. Wenn Trump vom Teleprompter abliest, so ist er staatsmännisch. Und Hillary Clinton lächelte zu wenig in der Debatte. Was sie aber gesagt haben, weiss die LeserIn nachher nicht.
Beides fördert einen Politikverdruss. Ersteres, weil sie Politik zu einer Dunkelkammer der Mächtigen emporstilisieren, gegen die der einzelne nichts ausrichten kann. Und nicht alles, was hinter verschlossenen Türen stattfindet, ist auch gleich eine Verschwörung. Und zum zweiteren erhält man den Eindruck, dass es letztlich keine handfeste Differenzen mehr gäbe in der Politik. Dass alles irgendwo einerlei ist und es nur noch auf die Rhetorik und die Performance ankommt. Dabei gibt es einflussreiche PolitikerInnen, die schlechte RednerInnen sind, und Medien-Darlings, die wenig zu sagen haben. Die Medien haben eine wichtige Aufgabe in der Demokratie. Die Medienkritik aber auch. Im besten Fall gibt es bessere News.
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März 31, 2017
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