Am Sonntag hatten Hansi Voigt, ehemaliger ‹Watson›-Chefredaktor, der Unternehmer Moritz Zumbühl und Jon Pult, Bündner SP-Politiker, zum Podium geladen, um das Thema Medienvielfalt und Medienzukunft zu diskutieren. Die drei haben im Nachgang zur No-Billag-Abstimmung die Idee einer Medienvielfaltsinitiative lanciert. Diese will den heutigen Artikel 93 der Bundesverfassung so ausbauen, dass eine allgemeine Medienförderung möglich ist. Der Initiativvorschlag ist relativ umfassend (nachzulesen auf artikel93.ch) und umfasst viele Themen von Netzneutralität bis zu Fake-News. Auf die Frage nach der Essenz der Initiative meinten die Initianten, dass sie ein «Recht auf Informiertheit» fordern würden. Dies sei existenziell für die Demokratie und dazu brauche es Medienvielfalt.
Es lohnt sich, ab und an die eigene Überzeugung mal grundsätzlich infrage zu stellen. Wir No-Billag-GegnerInnen haben alle im Abstimmungskampf mantramässig wiederholt: Medien sind zentral für die Demokratie. Aber – um den Advocatus Diaboli zu spielen: Stimmt das überhaupt? Ein Recht auf Informiertheit klingt gut. Aber braucht es dazu überhaupt Medien? Mindestens im klassischen Sinn?
Vor kurzem habe ich mir auf Netflix die Serie «Star Trek: Discovery» angesehen. Dabei ist mir aufgefallen, dass dort – wie in allen Star-Trek-Serien – die Medien gar nicht vorkommen (es gibt eine ganz kleine Ausnahme, die aber der Regel nicht widerspricht). In der Star-Trek-Zukunft, einer positiven Zukunftsvision, gibt es nach wie vor Bücher, es gibt Theater, es gibt Oper, es gibt Jazz. Aber keine Medien. Natürlich können wir uns – ich als Zeitungsmacherin und Politikerin sowieso – eine Zukunft ohne Medien kaum vorstellen. Aber immerhin war die Menschheit die längste Zeit ohne Massenmedien unterwegs – und vielleicht wird sie das dereinst wieder sein.
Als die Sozialen Medien aufkamen, das sogenannte «Web 2.0», wurde euphorisch darüber gesprochen, dass sich die Trennlinien zwischen Konsumenten und Produzenten aufweichen. Jede und jeder konnte senden und war nicht mehr auf die Medien angewiesen. Der «Arabische Frühling» war der Höhepunkt dieser Hoffnung. AktivistInnen vermochten dank dem Internet und Sozialen Medien, staatliche Zensur und Repressionen zu umgehen und brachten Diktaturen ins Wanken. Nicht überall ist der «Arabische Frühling» so spektakulär gescheitert wie in den Ruinen des zerbombten Syrien. Doch im Zeitalter von Fake News und Filterblasen ist diese Euphorie auch im Westen verloren gegangen.
Wir sind also in einer Zwischenphase, einer Art Limbo. Die Medien haben ihre exklusive Gatekeeper-Funktion verloren. Sie sind nicht mehr die exklusiven Hüter davon, was News sind. Gibt es aber niemanden mehr, der auswählt und prüft, dann droht eine Informationsflut. Und es wird schwierig, seriöse von unseriösen Berichten zu unterscheiden. Wer hat schon die Kapazitäten, dies alles selbst zu tun? Es sind JournalistInnen und die Medien, die uns diese Arbeit abnehmen. Und es ist – gerade auch wenn wir an die Facebook-Kontroversen denken – weder möglich noch wünschbar, dies einfach Algorithmen zu überlassen. Informierte BürgerInnen werden also auch in Zukunft jene brauchen, die ihnen die Informationen aufbereiten.
Am Dienstag wurden die WEMF-Zahlen, die Auflagen der Zeitungen, publiziert. Während die Grossen wie ‹Tages-Anzeiger›, NZZ oder ‹Blick› weiterhin LeserInnen verlieren, legen kleine Lokal- und Regionalzeitungen wie der ‹Landbote›, der ‹Limmattaler› oder die ‹Zuger Woche› zu. Teilweise könnte dies daran liegen, dass die WEMF-Zahlen bei kleineren Zeitungen etwas ungenauer sind. Vielleicht wird aber auch im Zeitalter des ersparten Einheitsbreis das Lokale plötzlich attraktiv.
Das P.S. ist – wie man dem Spendenbarometer entnehmen kann – vielen LeserInnen eine Spende wert. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei allen SpenderInnen bedanken. Das ehrgeizige Ziel werden wir wohl aber verfehlen. Was heisst, dass wir zwar unseren zwanzigsten Geburtstag erleben werden, aber – wenn wir weit vom Spendenziel entfernt bleiben – wohl eher früher als später die nächste Spendenaktion starten müssen. Betteln ist für mich als Verlegerin eine zweischneidige Sache. Zum einen geht es an den Stolz, wenn man ohne Spenden nicht überleben kann. Das Ziel wäre nach wie vor, selbsttragend zu sein. Zum anderen aber bietet es die Gelegenheit, immer wieder zu prüfen, ob unser Produkt überhaupt noch gefragt ist. Ich hoffe, dass es weiterhin so sein wird. Noch eine kleine Bemerkung: Uns wurden auch viele Vorschläge zugestellt, wie wir das P.S. verbessern könnten. Sie sind fast alle richtig – das Problem bleibt aber oft, dass die Verbesserungen wie eine ausgebaute Regionalberichterstattung, eine bessere Adressdatenbank oder grössere Recherchen zusätzliche Ressourcen bräuchten.
Es ist daher durchaus auch im eigenen Interesse, wenn ich für eine bessere Medienförderung plädiere (die eigenen Interessen vertreten andere Player von den grossen Verlagen bis zu Goldbach und der SVP ja schliesslich auch). Unser heutiges Fördersystem mit indirekter und direkter Medienförderung ist nicht mehr zeitgemäss: Wir brauchen ein technologieneutrales System, das keinen Unterschied mehr macht zwischen Print und Radio und Fernsehen und das auch eine Online-Medienförderung zulässt, da in Zukunft die Trennlinien zwischen den einzelnen Medien nur noch unschärfer werden. Und es braucht auch – im Interesse der LeserInnen und der demokratischen Auseinandersetzung, eine mediale Vielfalt, auch lokal.
Es ist daher gut und sinnvoll, wenn sich Leute – wie eben die Initianten Hansi Voigt, Moritz Zumbühl und Jon Pult –, aber auch viele mehr darüber Gedanken machen, wie die Medien in Zukunft finanziert werden sollen. Der Entwurf zur Medienvielfalts-Initiative wurde beim Anlass vom kundigen Publikum und teilweise vom Podium aus kritisch diskutiert. Der Entwurf ist noch zu breit, die Printmedien fehlen und zudem wird auch bald das neue Mediengesetz vorliegen, das allenfalls bereits Verbesserungen bringt. Den Initianten macht dies keine Bauchschmerzen: Die Initiative soll nun von allen Interessierten gemeinsam weiter bearbeitet werden und das Ziel ist, möglichst viele zusätzliche UnterstützerInnen zu finden. Eine interaktive Crowd-Initiative sozusagen, passend zur heutigen Zeit.
Min Li Marti