Zeit für Väter

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Der Bundesrat hat beschlossen, dass er die Initiative für einen vierwöchigen Vaterschaftsurlaub ohne Gegenvorschlag ablehnt. Wichtiger als ein Vaterschaftsurlaub sei ein gutes Angebot von familienergänzender Kinderbetreuung, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermögliche. Zwei Wochen zuvor hatte er einen Vorstoss der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur abgelehnt, die wollte, dass der Bundesrat die Anstossfinanzierung für familienergänzende Kinderbetreuung verlängert. Keine Pointe.

 

In einem Interview in der WOZ, das in meiner Filterblase oft geteilt wurde, forderte die Philosophin Silvia Federici, dass Hausarbeit endlich entlöhnt wird. Sie kritisiert, dass die Haus- und Betreuungsarbeit – im Jargon Care- oder Reproduktionsarbeit genannt – von Frauen unbezahlt erledigt wird. Die Gesellschaft spare dadurch Milliarden ein. Die Frauen – die nach Federici der Care-Arbeit nicht entrinnen könnten – sollten sich zusammenschliessen, um für die Entlöhnung der Hausarbeit zu kämpfen.

 

Im Gegensatz zu jenen in meiner Filterblase, die den Artikel geteilt haben, finde ich den Ansatz nicht fortschrittlich, sondern reaktionär. Natürlich ist es ein Verdienst der feministischen Ökonomie, dass die unbezahlte Arbeit thematisiert und quantifiziert wird. Aber der Hausfrauenlohn (oder die Herdprämie) ist keine Lösung, weil er die Geschlechterverhältnisse zementiert und  nicht verändert.  Und ich bin auch dagegen, den Vaterschaftsurlaub in Elternzeit umzubenennen, wie es ebenfalls viele Linke fordern. Ich teile die Kritik, die sich gegen das Wort «Urlaub» richtet: Es sind tatsächlich keine Ferien. Aber beim Vaterschaftsurlaub sollte es eben gerade nicht um Eltern gehen, sondern explizit um Väter.

 

Das Wort Reproduktionsarbeit hat mich immer schon gestört, denn es suggeriert, dass man für das Ausräumen der Geschirrspülmaschine eine Gebärmutter braucht. Es passt aber insofern, als in der ganzen Care-Debatte und auch im Interview von Federici die Männer seltsam abwesend sind. Es geht immer nur darum, dass Frauen unbezahlte Arbeit erledigen, die entweder bezahlt oder von der Gesellschaft (bzw. dem Staat) übernommen werden sollen. Niemals aber geht es darum, wer eigentlich diese ganze Arbeit auch machen könnte. Die Männer nämlich.

 

Die Männer räumen den Geschirrspüler oft nicht deswegen nicht aus, weil sie keine Gebärmutter haben. Nein, sie folgen bloss dem Motto von Tick, Trick und Track: «Wer die Arbeit kennt und sich nicht drückt, der ist verrückt.» Denn sie wissen, dass jemand anderes die Maschine ausräumt, wenn sie einfach lange genug warten. Und dieser jemand anderes ist oft eine Frau. Die es tut, weil es ja einer tun muss und weil die keifende und nörgelnde Hausfrau spätestens seit Xanthippe kein sonderlich attraktives Vorbild ist.

 

Es ist auch bezeichnend, dass sich nur Frauen mit der Care-Frage beschäftigen. In linken Tagungen und gescheiten Sammelbänden erklären Männer die Welt und die grosse Ökonomie, Und dann schreibt eine Frau noch etwas zur Care-Frage. Männer kümmern sich um die Welt, Frauen ums Haus. Im Wirtschaftskonzept der SP Schweiz hat es nicht einmal dazu gereicht. Solange dieses Problem  – und es ist eine Machtfrage, wie meistens – nicht gelöst wird, bewegt sich auch niemals etwas.

 

1963 schrieb die Feministin Betty Friedan das Buch «Der Weiblichkeitswahn», in dem sie die Reduktion der Frau auf die Rolle als Mutter und Hausfrau kritisiert. Heute gibt es ihn immer noch, den Weiblichkeitswahn, er ist einfach zum «Mütterlichkeitswahn» geworden. Vom Moment an, in dem eine Frau schwanger wird – und teilweise schon zuvor – wird der Frau gesagt, womit sie alles ihrem Kind schweren Schaden zufügen könnte. Zuerst mit fast allem, was sie isst und trinkt (nicht, dass sich die GynäkologInnen dieser Welt wirklich einig wären, was genau schadet und was nicht). Dann wird es schwer geschädigt durch den Kaiserschnitt, die traumatische Geburt oder wenn die Mutter nicht stillen kann. Dann sollte zwar die Mutter die Ausbildungskosten dem Staat wieder zurückerstatten, wenn sie nicht wieder Vollzeit arbeiten geht, aber leider hat das Kind auch eine schwere Bindungsschwäche, wenn es zu früh in die Krippe kommt. Wagt die Mutter es, eine Nanny oder eine Putzfrau zu engagieren, dann beutet sie prekarisierte Migrantinnen aus. Die Mutter ist also an allem schuld, sogar an der kapitalistischen Arbeitsteilung in einer globalisierten Welt. Und so sind auch moderne Frauen gefangen in diesem grossen Netz voller Schuldgefühle, Ängste und Mythen. Es ist tatsächlich auch viel billiger, wenn man die individuelle Verantwortung auf die Mütter abschiebt, als gesellschaftlich für eine gute Infrastruktur zu schauen. Der Mütterlichkeitswahn passt also perfekt in die neoliberale Welt, dem feministischen Mäntelchen zum Trotz.

 

Man kann allerdings auch nicht alles dem Staat oder der Gesellschaft delegieren. Kindererziehung und Hausarbeit ist – bezahlt oder nicht – die Aufgabe von Frauen und Männern. Es geht hier auch nicht um Wahlfreiheit. Selbstverständlich darf jede Familie für sich selber entscheiden, wie sie ihre Aufgaben aufteilt. Aber: Das Modell mit einem Ernährer und einer Hausfrau birgt nun mal ein erhebliches Armutsrisiko, im Trennungsfall wie auch im Alter. Natürlich ist es nicht schlimm, wenn Lebensläufe nicht total linear und gradlinig sind. Und es ist auch legitim, dass man oder frau auch mal andere Prioritäten als den Beruf setzt. Und ja, es ist sowieso eine Mittelstandsdiskussion.

 

Aber die Diskussion hat echte Folgen:  Frauen werden beruflich bestraft, wenn sie Kinder haben – oder wenn man davon ausgeht, dass sie Kinder haben werden. Sie verdienen weniger, werden weniger oft ge- oder befördert. Weil man davon ausgeht, dass sie eh ausfallen werden. Solange das so ist, gibt es weder Gleichstellung noch echte Wahlfreiheit. Durch den Mutterschaftsurlaub können Mütter – einfach weil sie sich eine zeitlang alleine um das Kind kümmern – die Kinder auch besser betreuen, wissen besser, was sie brauchen und gewöhnen sich daran, sich um alles zu kümmern. Schon schleicht sich die traditionelle Rollenverteilung ein, ohne dass das Paar dies wirklich gewollt hat – auch gerade zu Lasten der Väter.

 

Darum ist es gefährlich, von Elternzeit zu reden. Es sollte nicht – wie beispielsweise in Deutschland – am Schluss dazu führen, dass Frauen jahrelang aus der Erwerbsarbeit draussen sind, weil die Männer ihre Zeit den Frauen übertragen. Damit wird der Effekt, dass Mutterschaft Frauen beruflich bestraft, am Schluss eher verstärkt statt verringert. Es braucht keine Elternzeit, sondern Mutter- und Vaterzeit. Und die sollte auch gleich lange sein. Damit die Spiesse auch gleich lange sind. Im Interesse der Kinder, der Mütter und nicht zuletzt der Väter.

 

Min Li Marti