Aufbrechen

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«Konkurrenz ist für Verlierer», meinte Paypal-Gründer und Facebook-Investor Peter Thiel. Stattdessen lobte er das Monopol und schrieb gar eine Anleitung für Start-ups, wie sie dieses Ziel am besten erreichen können. Monopole sind ihmgemäss die Treiber für Innovation und nicht der Wettbewerb. So ehrlich war kaum je ein Unternehmer. Denn in deren Sonntagsreden kommt sonst stets ein Bekenntnis zum Markt und zum Wettbewerb. Aber letztlich will ein Unternehmer oder eine Unternehmerin vor allem eins: Geld verdienen. Und das geht besser ohne Konkurrenz. Für Konsumentinnen und Konsumenten sieht es naturgemäss anders aus: Konkurrenz senkt die Preise und belebt das Geschäft. Eine unternehmensfreundliche Politik ist also nicht zwangsläufig eine wettbewerbsfreundliche Politik, zuweilen sogar das pure Gegenteil.

 

Gerade im Technologiebereich haben sich grosse Monopole gebildet: Facebook dominiert die sozialen Medien, Amazon den Online-Handel, Google die Internetsuche. Dass diese Konzentration problematische Seiten hat, wurde immer wieder diskutiert. Spätestens seit dem Cambridge-Analytica-Skandal und den letzten US-Präsidentschaftswahlen ist Facebook vermehrter Kritik ausgesetzt. Jetzt fordert auch Chris Hughes, einer der Mitgründer von Facebook, dass Facebook aufgeteilt werden muss. Hughes war einer der Mitbewohner von Mark Zuckerberg in Harvard und einer der vier Gründer von Facebook. 2007 verkaufte er seine Anteile und war massgeblich am Aufbau des Online-Wahlkampfs für Barack Obama beteiligt. In einem sehr ausführlichen Gastartikel in der ‹New York Times› fordert Hughes nun auf, Facebook zu zerschlagen. Er begründet dies mit der unerhörten Machtfülle, die Facebook innehat. Denn Facebook ist längst nicht nur Facebook. Zum Unternehmen gehören auch das rasch wachsende Netzwerk Instagram und der Kurznachrichtendienst Whatsapp. Und das alles ist in der Kontrolle von Mark Zuckerberg. Ein Mensch alleine hat also das Sagen darüber, was Milliarden von Menschen in ihrem Newsfeed zu sehen bekommen, welche Privatsphäreeinstellungen gelten und sogar welche Nachrichten sie erhalten. Mark sei ein guter Mensch, meint Hughes, aber dennoch sei diese Machtfülle problematisch, denn sie gefährde letztlich auch die Demokratie. Um die Macht zu begrenzen gäbe es nur eine Lösung: Facebook zu zerschlagen und Instagram und Whatsapp wieder in die Unabhängigkeit zu entlassen

 

Der Historiker Hughes macht dazu einen Rückgriff auf die Geschichte: Im späten 19. Jahrhundert in den USA, den sogenannten «Gilded Ages», dominierten die grossen Stahl-, Öl- und Eisenbahnbarone Politik und Wirtschaft. Es galt als Zeitalter mit grossem technologischem Fortschritt, aber auch grossen Unterschieden zwischen Reich und Arm. Es war die Zeit von Andrew Carnegie (Stahl), John D. Rockefeller (Öl), Cornelius Vanderbilt (Eisenbahn) und John Pierpont Morgan (Bank), deren Unternehmen monopolartige Ausmasse annahmen. Gegen diese Übermacht einzelner Männer begann sich der Widerstand zu regen. Der republikanische Kongressabgeordnete John Sherman meinte damals in der Debatte: «Wenn wir keinen König als politisches Oberhaupt ertragen, sollten wir auch keinen König haben, der die Produktion, den Transport oder den Verkauf von lebensnotwendigen Gütern beherrscht. Wenn wir uns keinem Kaiser unterwerfen wollen, dann sollten wir uns auch keinem Autokraten des Handels unterwerfen, der die Macht hat, Wettbewerb zu verhindern und Preise festzulegen». Sherman war erfolgreich. Sein Gesetz von 1890 verbot Monopole. Im zwanzigsten Jahrhundert folgten zusätzliche Regulierungen und Kartellgesetzgebungen. Zerschlagen wurde dann beispielsweise die Standard Oil, die Firma von John D. Rockefeller. Heute scheint uns das fast undenkbar. Die sei nach Hughes, weil seit den 1970er-Jahren eine Gruppe von Ökonomen, Anwälten und Politikern (in Europa würde man vom Neoliberalismus sprechen) sich erfolgreich dafür einsetzte, Kartellgesetzgebungen und andere Regulierungen zu schwächen und die Macht der Konzerne zu stärken. Ganz untätig blieben die Behörden dennoch nicht. In den 1980er-Jahren kamen der Technologiekonzern IBM und der Telekommunikationsanbieter AT&T unter Druck. Später wurde Microsoft dabei gehindert, ihren KundInnen den Internet Explorer aufzuzwingen. Und auch wenn die Zerschlagung von Microsoft nicht erfolgte, konnten sich dadurch auch Browser-Konkurrenten im Markt etablieren. Bezüglich der GAFAM (Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft) herrschte bis anhin noch etwas Zurückhaltung. Nur die Europäer versuchen deren Macht – beispielsweise durch die Datenschutzgesetzgebung – leicht zu begrenzen. Die amerikanische Präsidentschaftskandidatin und Senatorin Elisabeth Warren hatte schon vor Chris Hughes gefordert, die Techgiganten zu zerschlagen. Mehr als 70 Prozent des Traffics im Internet gingen über Seiten, die Google oder Facebook gehören, schreibt sie auf Medium.com. Diese Dominanz hätten die Techfirmen dadurch erreicht, indem sie zum einen die Konkurrenz aufgekauft haben und zum anderen oft den Marktplatz dominieren, auf dem sie ihre Ware anbieten. So ist zum Beispiel bekannt, dass Google die Konkurrenz in den Suchresultaten abstraft. Warren schlägt hier vor, dass die Infrastruktur – also der Marktplatz beziehungsweise die Plattform – abgetrennt wird. Die Suchmaschine und der Werbeverkauf im Falle von Google beispielsweise müsste also in zwei separate Firmen aufgeteilt werden. Ebenso will sie Fusionen wie die von Facebook mit Whatsapp und Instagram rückgängig machen. Warren ist im Moment nach Joe Biden und Bernie Sanders auf dem dritten Platz unter den demokratischen HerausforderInnen aufgerückt. Ob sie diese Pläne dereinst als Präsidentin umsetzen kann oder wird, steht in den Sternen. Aber die Diskussion hat an Fahrt aufgenommen.

 

Auch in der Schweiz gibt es problematische Machtkonzentrationen. Zum Beispiel bei den Medien. In der Romandie hat Tamedia bereits eine marktdominante Stellung, auch in der Deutschschweiz nimmt die Pressekonzen­tration zu. Die Wettbewerbskommission hatte die Fusionen zwischen Tamedia und dem Werbevermarkter Goldbachmedia ebenso genehmigt wie das Zusammengehen von AZ Medien mit den NZZ Regionalmedien. Dass weitere Regionalmedien in den nächsten Jahren ihre Unabhängigkeit aufgeben werden müssen, scheint keine gewagte Prognose. Bis anhin waren hier Behörden und Politik zurückhaltend. Zu zurückhaltend. Denn wie bei Facebook sind hier Monopole nicht nur schlecht für die KonsumentInnen, sondern auch für die Demokratie.