Am Mittwoch gaben die Jungparteien Junge GLP, Junge Grüne und Juso sowie die Piratenpartei bekannt, dass sie das Referendum gegen die sogenannte PMT-Vorlage ergreifen wollen. Dabei geht es um polizeiliche Massnahmen gegen den Terrorismus, die im präventiven Bereich zum Einsatz kommen werden. Gegen das Gesetz wandten sich im Vorfeld RechtsprofessorInnen und MenschenrechtsexpertInnen. Sie warnen, dass die im Gesetz vorgesehene Definition von Terrorismus zu weit gehe. Zwei Dinge seien dabei gefährlich: Zum einen ist der Terrorismus nicht mehr gekoppelt an die Tat, sondern es geht um potenzielle TerroristInnen. Also um Personen, bei denen man davon ausgeht, dass sie eine terroristische Aktivität ausüben werden. Die UNO-Sonderberichterstatterin und Menschenrechtsexpertin Fionnuala Ní Aoláin kritisiert gegenüber der ‹Republik›: «Terrorismus soll in der Schweiz nicht mehr gekoppelt sein an eine schwere Straftat. Neu ist die Rede von Gefährdern, von potenziellen Terroristen.» Zum zweiten wird kritisiert, dass die Definition einer terroristischen Aktivität schwammig sei. Rechtsprofessorin Evelyne Schmid meinte gegenüber dem ‹Blick›: «Nicht nur die Verübung terroristischer Gewalt oder die Androhung einer solchen soll dazu führen, dass jemand als Gefährder taxiert wird, sondern auch das Verbreiten von Furcht und Schrecken, um die staatliche Ordnung zu beeinflussen.» Darunter meint Schmid, könnten auch beispielsweise Corona-DemonstrantInnen fallen, die schliesslich auch Furcht und Schrecken verbreiten und die staatliche Ordnung beeinflussen wollten. Ebenfalls kritisiert werden die vorgeschlagenen Massnahmen selber. Vorgesehen sind im Gesetz Massnahmen wie Kontakt- oder Rayonverbot, eine Meldepflicht, Ausreiseverbot oder ein Hausarrest. Die Massnahmen können mit Ausnahme des Hausarrests für Kinder ab 12 Jahren angeordnet werden, der Hausarrest ab 15 Jahren.
SP, Grüne und Grünliberale haben sich im Parlament gegen das Gesetz gewehrt. Für ein Referendum konnte sich allerdings zu Beginn kaum einer erwärmen, man schätzte die Chancen auf einen Erfolg für zu gering ein. Dennoch ist das Referendum inhaltlich richtig. Wir müssen diese Debatte führen, denn die Erfahrung der letzten Jahre zeigt: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheit sind fragiler, als wir das vielleicht gedacht haben. Sie müssen immer wieder erkämpft und verteidigt werden. Und: Es ist auch zweifelhaft, ob diese Einschränkung der Grundrechte uns wirklich sicherer machen.
Die Debatte um den vermeintlichen Widerspruch zwischen Freiheit und Sicherheit wird seit dem schrecklichen Terrorattentat vom elften September 2001 intensiv geführt. Dabei geht es stets darum, wieviel Freiheiten wir preisgeben sollen, um etwas mehr Sicherheit zu erhalten, und ich staune immer wieder, wie hoch die Bereitschaft ist, Freiheiten zugunsten von Sicherheit zu opfern. Gerade bei jenen, die sonst die Freiheit politisch gerne hochhalten. Das ist umso mehr bemerkenswert, als ein Bekenntnis zur Freiheit ja eigentlich wenig wert ist, wenn es unter Druck nicht standhält.
Dabei scheinen vor allem die Liberalen (die Grünliberalen sind hier explizit ausgenommen) vergessen zu haben, was eigentlich die Wurzeln ihrer Ideologie und Überzeugungen sind. Denn wenn wir von Grundrechten sprechen, dann sprechen wir eigentlich von Freiheitsrechten. Sie sind als Abwehrrechte gedacht. Als Schutz des Bürgers vor der Willkür des Staates. Das zeigt sich auch, wenn wir die Wurzeln des liberalen Rechtsstaats betrachten: Habeas Corpus beispielsweise. Dieser Rechtsakt aus dem 17. Jahrhundert besagt, dass kein Untertan des britischen Königreichs in Haft gesteckt werden kann, ohne dass er von einem Gericht verurteilt wird.
Dieser Grundsatz ist in unserem Rechtssystem ebenso verankert wie in der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK. Eine Mehrheit der Sicherheitspolitischen Kommission im Nationalrat wollte eine Präventivhaft einführen, die genau diesen Grundsatz inf rage gestellt hätte. Dabei wurde der Kommission in der Anhörung zudem ausführlich dargelegt, dass eine Präventivhaft gegen die EMRK verstösst. Der Antrag fand zum Schluss keine Mehrheit im Nationalrat. Allerdings hat Mauro Tuena (SVP) wieder einen Vorstoss für eine Präventivhaft eingereicht und viele Unterschriften aus FDP und CVP gesammelt. Viele Freisinnige und ChristdemokratInnen hätten also kein Problem damit, gegen die EMRK zu verstossen und hinter einen bedeutenden Meilenstein der Geschichte des Rechtsstaats zurückzukehren.
Auch vergessen haben die sogenannten Liberalen ein anderes Prinzip aus der Geschichte der Entwicklung des liberalen Rechtsstaats, das Blackstone-Prinzip aus dem 18. Jahrhundert. Dieses besagt, dass es besser sei, wenn zehn Schuldige freikommen, als dass ein Unschuldiger leiden müsse. Nicht nur bei der Bekämpfung des Terrorismus können wir beobachten, dass wir heute lieber in die andere Richtung gehen. Lieber wird im Zweifelsfall einer weggesperrt, als dass ein potenzieller Täter durch die Latten gehen könnte.
Und bei der PMT-Vorlage geht es genau darum: Es sind potenzielle Täter oder Täterinnen. Es geht nicht um Leute, die konkret eine Straftat begangen oder eine vorbereitet haben, sondern es handelt sich um Leute, denen das Fedpol zutraut, diese einmal zu begehen. Das ist eine Umkehr der Beweislast. Denn es wird nicht geprüft, ob ein Angeklagter schuldig ist. Sondern der Gefährder muss beweisen, dass er nicht gefährlich ist. Zudem sind für die Massnahmen Kontaktverbot, Gesprächs- und Meldepflicht, Ausreise oder Rayonverbot keine richterliche Überprüfung vorgesehen.
Nun, schon klar, wird jetzt wohl eine Mehrheit der Bevölkerung sagen: Es geht nun mal um den Schutz vor Terrorismus. Diese Gefahr müsse man entschieden bekämpfen. Einverstanden. Nur ist zweifelhaft, ob dieses Gesetz uns wirklich schützt. Fionnuala Ní Aoláin, die in Nordirland aufgewachsen ist und die Terrorgefahr am eigenen Leib erlebt hat, meint klar Nein: «Nur wenn man Terrorismus mit den Mitteln des Rechtsstaats bekämpft, wird man die Gewalt beenden. Wenn Sie im Kampf gegen den Terrorismus das Gesetz brechen und die Menschenrechte missachten, dann begeben Sie sich in einen endlosen Kampf, den Sie nicht gewinnen können. Unzählige Studien und Auswertungen zeigen, wie schädlich staatliche Verstösse in dieser Auseinandersetzung sind.» Die Beschränkung der Freiheit gibt also keine Sicherheit. Nur Unfreiheit. Aber das sicher.