Zurück in die strahlende Zukunft

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Die PräsidentInnenkonferenz der FDP hat entschieden: Sie will das AKW-Neubauverbot wieder aufheben. Der Antrag kam laut Medienberichten aus Zürich. Technologieneutralität bei der einheimischen Stromproduktion: Beim Ausbau und Ersatz bestehender einheimischer Produktionsanlagen darf es keine gesetzlichen Technologieverbote geben. So sind die Voraussetzungen zu schaffen, um namentlich KKW der neuen Generation zuzulassen. 

 

Das letzte Wort haben die Delegierten. Der Schaden ist allerdings schon angerichtet. Der Dietiker FDP-Gemeinderat und Campaigner Peter Metzinger schreibt auf seinem Blog, der Antrag sei «politischer Selbstmord». Sein Fazit: «Dümmer gehts nimmer.» «Sich jetzt für den Bau neuer AKW auszusprechen, sendet ein falsches und irreführendes Signal aus», meinte Susanne Vincenz-Stauffacher, Präsidentin der FDP-Frauen und Nationalrätin aus St. Gallen. Der Antrag sei «schräg in der Landschaft», meint der Zürcher FDP-Stadtrat Michael Baumer. «Hat sich die Parteileitung verirrt?», fragt sich der Aargauer Nationalrat Matthias Jauslin. Dafür wird er dann von der Aargauer FDP-Präsidentin Sabina Freiermuth als «respektlos und illoyal» getadelt. 

 

Die Parteileitung wiegelt indes ab: «Es geht nicht darum, Atomkraftwerke zu bauen, wie wir sie heute kennen», sagt Vizepräsidentin Johanna Gapany. Die zu erwartende Zunahme des Stromverbrauchs erfordere jedoch neue Antworten. Auch FDP-Vizepräsident Andri Silberschmidt relativiert auf Twitter: «Zur allgemeinen Klärung: Die FDP fordert keine neue KKW, sondern hält in einem umfassenden Papier zur Sicherstellung der Energie- und Stromversorgung bis 2050 fest, dass es kein Technologieverbot geben darf. Kurzfristig ist klar, dass ein neues KKW nicht realisierbar ist.» FDP-Kantonsrat Beat Habegger antwortete: «So schaffen wir uns unnötige Probleme! Es wird keine neuen KKW geben in der Schweiz. (…) Positive Zukunftsgestaltung statt dem 20. Jahrhundert nachhängen!» Habegger ist Präsident der FDP.Urban. Diese wurde gegründet, um den urbanen Anliegen in der FDP mehr Gewicht zu geben. Und vielleicht auch ein wenig, um der GLP Konkurrenz zu machen. 

 

Der berüchtigte amerikanische Politikberater Lee Atwater soll mal gesagt haben, man solle den Gegner nie daran hindern, wenn er gerade dran ist, sich selber zu zerstören. Dass hier also bei anderen Parteien Schadenfreude aufkommt, ist nicht verwunderlich. Zumal es einem auch ein wenig so geht wie Eltern im Tram, wenn das Kind von anderen gerade einen Trotzanfall hat: Man lehnt sich zurück und denkt, zum Glück ist das nicht meins. Im Wissen, dass es einem bald selber so ergehen könnte. Die FDP erlebe einen SP-Moment, schreibt Doris Kleck in der ‹Aargauer Zeitung›: «Nun, kann man es einer liberalen Partei verübeln, dass sie sich gegen ein Technologieverbot einsetzt? Wohl kaum. Doch da ein AKW-Neubau nicht realistisch ist, weil es sich wirtschaftlich nicht rentiert, handelt es sich um eine ideologische Sache. Die FDP erinnert an die SP, die laut Parteiprogramm noch immer den Kapitalismus überwinden will. Es wird der SP von der Konkurrenz gerne um die Ohren gehauen. Der FDP wird es mit den AKW ähnlich gehen.»

 

Tatsächlich fragt man sich, warum ausgerechnet die Zürcher FDP kurz vor den Zürcher Gemeindewahlen einen Antrag einbringt, der in den eigenen Reihen für Zoff sorgt. Selbstverständlich darf und soll es in einer Partei auch inhaltliche Auseinandersetzungen geben. Für die Positionssuche ist das hilfreich – für den Wahlkampf aber nicht. Schon gar nicht, wenn die Auseinandersetzung einigermassen giftig geführt wird. 

 

Die FDP hat tatsächlich gewisse Ähnlichkeit mit der SP: Beide waren elektoral schon in besserer Form. Und beide werden gerne von Journalistinnen und Politikauguren mit vermeintlich wohlmeinenden Ratschlägen eingedeckt.

 

 Nur, so einfach ist es nicht. Die FDP wollte sich mit einer inhaltlichen Wende ökologisch neu erfinden. Sie hat das C02-Gesetz wesentlich mitgeprägt. An der Urne ist ihr die Wählerschaft aber zu einem signifikanten Teil nicht gefolgt. Das hat auch mit unglücklichen Umständen zu tun, wie mit der gleichzeitigen Terminierung mit den Landwirschaftsinitiativen und mit einer missglückten Kampagne. Aber vor allem auch mit mangelndem Engagement der Partei selbst. Es schien, als ob die Parteispitze ihrer eigenen Arbeit nicht mehr traute.

 

Was wahrscheinlich den Tatsachen entspricht. Die ökologische Neupositionierung der FDP war eine Kopfgeburt, die vielleicht tatsächlich vielen Freisinnigen nicht entspricht. Dass damit der Freisinn der GLP ein Wahlgeschenk macht, versteht sich von selbst. Während diese sich zuweilen in sozialen und auch gesellschaftspolitischen Fragen in Erbsenzählerei oder Formalismus verstrickt, wie beispielsweise bei der Elternzeit oder der medizinischen Unterstützung von Sans-Papiers, ist sie in der Ökologie doch grundsolider als der Freisinn. 

 

Es gibt neben den Politexpertinnen und den Journalisten auch viele Linke, die den Niedergang des Freisinns betrauern. Viele haben eine mythische Vorstellung eines einst grossartigen staatstragenden Freisinns, der genauso eine Projektionsfläche ist wie es teilweise die Grünliberalen heute sind. Ich sehe das persönlich nüchterner. Eine Stärkung der GLP auf Kosten des Freisinns ist unter dem Strich ein Gewinn, ökologisch wie auch sozial. Vor allem, wenn es noch ein paar Erbsenzähler weniger darunter hat. Eine etwas bittere Ironie des Schicksals finde ich höchstens, dass von den zwei bisherigen freisinnigen Stadträten derjenige mit dem ökologischeren Profil um seine Wiederwahl zittern muss. Zur Erinnerung: Filippo Leutenegger hat sich gegen das CO2-Gesetz ausgesprochen. 

 

Schadenfreude ist schon allein auch deshalb nicht angebracht, dass offen ist, wie die Wahlen ausgehen. Und dass es vielleicht anders kommt, als man denkt. Vor den letzten Gemeinderatswahlen hätten auch bloss wenige auf einen Wahlsieg der SP gewettet. Dennoch schnitt die SP hervorragend ab. Jetzt tippen viele auf eine Grün(liberale) Welle. Vielleicht kommt sie, vielleicht nicht.  

 

Vor vier Jahren kam die No-Billag-Initiative zur Abstimmung. Sie hat vermutlich links mobilisiert. Vielleicht gelingt das auch mit Medienpaket und Stempelststeuer, auch wenn die Parteien im Gemeinderatswahlkampf wieder den Fehler machen, sich nicht um nationale Themen zu kümmern.  Unklar ist auch, wie sich Covid auf das Wahlverhalten auswirken wird. Wer also am Schluss am Wahlsonntag strahlen wird, wissen wir noch nicht. Vielleicht ist es sogar der Freisinn. Aber ich glaube es nicht.

 

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