CS-Übernahme: Fragen über Fragen

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«Ein Zombie ist weg, doch ein Monster entsteht.» So kommentierte Christoph Eisenring in der NZZ die Übernahme der CS durch die UBS. Der Deal scheint vorteilhaft für die UBS: Sie bezahlt für die Credit Suisse lediglich drei Milliarden Franken. Die Schweizerische Nationalbank SNB gewährt weitere 100 Milliarden an Liquiditätshilfe. Und der Bund sichert das Risiko eines Totalverlusts ab: Wenn alle Stricke reissen, muss die UBS die ersten fünf Milliarden tragen, der Bund übernimmt die nächsten neun Milliarden. Zusätzlich gibt der Bund via SNB weitere 100 Milliarden an zusätzlicher Liquiditätshilfe, falls die bisher gesprochenen Hilfen der SNB nicht ausreichen würden. Der Bund würde also im Extremfall mit 109 Milliarden Franken belastet. 

Eigentlich wollte ich diese Woche ja über den wachsenden Bedeutungsverlust der Geistes- und Sozialwissenschaften schreiben. Und was das für die Gesellschaft bedeutet. Aber wenn da schon ein so grosses Monster geschaffen wurde, dann ist es natürlich schwierig, das Monster im Raum zu igno­rieren. Und vielleicht hat ja das eine mit dem anderen zu tun.

Nun bin ich weder Bankenspezialistin noch Finanzpolitikerin. Ich habe also nicht mehr Ahnung als alle anderen halbwegs interessierten Medienkonsument:innen auch. Aber ich habe den leisen Verdacht, dass hier auch noch weit Klügere und Informiertere im Dunkeln tappen. Auch wenn immer mehr Informationen bekannt werden.

Ich hätte da also ein paar Fragen, wie dies Inspektor Columbo jeweils zu sagen pflegte. Mit dem Unterschied, dass Columbo schon zu Beginn weiss, wer schuldig ist. Gleiches kann man für jene Verschwörungstheoretiker:innen sagen, die jeweils behaupten, sie würden nur Fragen stellen (deren Antworten sie aber jeweils schon wissen). Nun denn, ich habe wirklich Fragen und ich hätte auch wirklich gerne Antworten. 

War die Übernahme der CS durch die UBS die beste Option? Laut Medienberichten gab es auch andere Optionen. So hatte die Investmentfirma Black Rock Interesse gezeigt, ebenso die Saudi National Bank. Andere vertreten die Ansicht, es wäre besser gewesen, wenn die Nationalbank oder der Staat die Credit Suisse übernommen hätten. So etwa Ex-CS-Banker Oswald Grübel in einem Interview mit dem ‹Spiegel›. Auch Urs Birchler, Ökonom und ehemaliges Mitglied des Direktoriums der Nationalbank ist der Ansicht, dass eine vorübergehende Verstaatlichung eine bessere Lösung gewesen wäre. Adriel Jost vom Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik der Universität Luzern hält es gar für «rätselhaft», dass man sich nicht für Verstaatlichung entschieden hat. Die Argumentation ist jeweils, dass nach der Fusion ein so grosses Gebilde – ein Monster eben – geschaffen würde, dessen Grösse noch zu viel gewaltigeren volkswirtschaftlichen Risiken führen würde. Ausserdem ist so eine grosse Fusion sehr anspruchsvoll und führt dazu, dass sich die UBS mehrere Jahre intensiv mit sich selber beschäftigen muss. «Kein Wunder, freuten sich die Finanzminister der Konkurrenzplätze London und New York sehr über die Lösung», meint Adriel Jost dazu. Ausserdem führt diese Lösung dazu, dass Tausende von Arbeitsplätzen verloren gehen. 

Finanzministerin Karin Keller-Sutter betonte an der Medienkonferenz des Bundesrats, es handle sich bei der jetzigen CS-Rettung um eine «privatwirtschaftliche Lösung» und nicht um einen «Bail-out». Die ‹Financial Times› vermutet, Bundesrat, Finanzmarktaufsicht Finma und SNB hätten aus politischen Gründen einen erneuten Bail- out – also eine staatliche Bankenrettung – verhindern wollen. Nur ist die jetzige Lösung auch eine staatliche Bankenrettung, einfach indirekt. Und ob jetzt diese Variante die Leute weniger wütend macht als eine direkte staatliche Beteiligung, ist doch eher fraglich. Vielleicht – und das ist eine weitere offene Frage – wollten Bundesrat, Finma und SNB diese Lösung, weil US-Finanzminsterin Janet Yellen sowie der britische Schatzkanzler Jeremy Hunt darauf gedrängt haben?

Bei der letzten Finanzkrise 2008 wurde eine umfangreiche Regulierung beschlossen, die sogenannte «Too big to fail»-Gesetzgebung. Darin sind unter anderem Vorgaben zum Eigenkapital, zur Aufsicht sowie zur möglichen Auftrennung bei drohender Insolvenz enthalten. Dieses Instrumentarium kam allerdings gar nicht zum Einsatz. Die Begründung dafür ist, dass dieser Fall andere Ursachen habe als die damalige Bankenkrise. 2008 ging es um faule Kredite, heute um Probleme mit den ansteigenden Zinsen sowie einer Vertrauenskrise. Aber nichtsdestotrotz war der Sinn und das Versprechen der Too-big-to-fail-Regulierungen ja, dass solche Fälle nicht mehr eintreten sollen. «Haben sie (die Behörden) gewusst, dass diese nicht funktionieren, und gelogen? Oder haben sie naiv an etwas geglaubt, das im Notfall auf den ersten Blick nicht funktioniert», fragt sich Urs Birchler in einem Interview mit dem ‹Tages-Anzeiger›. Und nicht nur er. 

Viel Empörung hat die Aussage von Finma-Präsidentin Marlene Amstadt ausgelöst, die den Sozialen Medien die Schuld am Debakel gab: «Seit Oktober 2022 führten in den Sozialen Medien ausgelöste Gerüchte zu massiven Abflüssen an Kundeneinlagen bei der CS.» Auch CS-Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann sah hier die Hauptursache: ««Der Social Media (Shit-)-Storm hatte enorme Auswirkungen. Zu viel kann plötzlich zu viel sein.» Nun hat sich die Welt durch die sozialen Medien tatsächlich verändert. Gerüchte, Ängste und Panik können dadurch schneller und weiter verbreitet werden. Das kann einen Vertrauensverlust verstärken und zu einem sogenannten «Bank run» führen – also, dass alle Leute auf einmal ihr Geld abholen wollen. Das überlebt keine Bank. Social Media können also durchaus als Brandbeschleuniger wirken. Nur die Brandursache sind sie nicht. Die ist in den vielen Fehlern des CS-Managements zu suchen. 

Es gäbe noch viele Fragen: Zum Rechtlichen, zum Trennbankensystem. Aber ich frage am Schluss lieber das: Müssen wir diese Krisen nicht eher psychologisch denn ökonomisch erklären? Wie kommt es denn zu einer derartigen Selbstüberschätzung sowie zu einem derartigen eklatanten Mangel an Verantwortungsbewusstsein in der Führung einer Branche? Wieso sind wir so abhängig von einem System, dass gesteuert wird von irrationalen Gefühlen? Warum muss man das Vertrauen der Märkte gewinnen und nicht der Menschen? Das ist ein bisschen polemisch, ich weiss. Aber wenn sich die Geschichte gerade so offenkundig wiederholt, dann sollte man vielleicht tatsächlich den Geschichtsunterricht stärken, statt mehr Ökonomie, wie es die Wirtschaft fordert.