Gedanken zur Woche: Krisen und Kommunikation

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Erschienen im P.S.

Ich habe einmal in einer Weiterbildung zur Unternehmenskommunikation beim Thema Krisenkommunikation die provokative These vertreten, dass in einer Krisensituation zuweilen Nichtkommunikation und damit Aussitzen die beste Möglichkeit sei. Als gewichtiges Argument für diese These führte ich Helmut Kohl an, der das Aussitzen zur politischen Kunstform erhoben hatte. Überzeugen konnte ich damit niemanden. Kaum verwunderlich, denn in Kommunikationsausbildungen wird schliesslich Kommunikation und nicht Nichtkommunikation gelernt. Vielleicht wäre die Diskussion auch etwas fruchtbarer gewesen, wenn ich sie nicht während der Abschlussprüfung geführt hätte…

Kommunikation ist nicht nur in Krisen ein anspruchsvolles Geschäft. Schliesslich ist die Kommunikation auch in der Regel das, was kritisiert wird, wenn es diffus etwas zu kritisieren gibt. Also bei Vorwürfen, die sich nicht ganz erhärten lassen beispielsweise. Dann wird jeweils in den parlamentarischen Untersuchungsberichten wie auch von den politischen Verantwortlichen gesagt, dass man die Kommunikation verbessern könnte. Und natürlich geloben auch FirmenchefInnen, dass besser kommuniziert wird, wenn sie haarscharf an einem Skandal vorbeigeschrammt sind. Das kann bemühend sein. Und zuweilen wünschte man sich, man würde Inhalte oder Handlungen kritisieren und nicht die Kommunikation.

Doch es gibt schon Beispiele, wo Kommunikation etwas ausmacht. Zum Guten oder zum Schlechten. Ich fange mal mit dem schlechten Beispiel an. Letzte Woche gab die Gewerkschaft Unia bekannt, dass Roman Burger, der Geschäftsführer der Region Zürich-Schaffhausen, von seinem Amt zurückgetreten sei. Der Grund: Sexuelle Belästigung. Die Medienmitteilung war aus zweierlei Gründen bemerkenswert. Zum ersten, dass überhaupt der Grund explizit genannt wurde und nicht «Differenzen in Führungsfragen» vorgeschoben wurden. Vermutlich wussten zuviele Leute Bescheid, als dass dies noch hätte verheimlicht werden können.

Zum zweiten, weil der Sachverhalt auf den zweiten Blick etwas zweideutig geschildert wurde: «Ein Austausch von SMS-Textnachrichten, der von einer Mitarbeiterin als sexuelle Belästigung empfunden wird, ist nicht tolerierbar.» Der Satz kann nämlich auch so interpretiert werden, als dass es sich einfach um ein bedauernswertes Missverständnis handelt. Eine subjektiv gefühlte Belästigung, die nur im Kopf einer überempfindlichen Frau besteht. Darüber wurde denn auch medial spekuliert. Und auf den sozialen Medien empörten sich ein paar ältere Herren darüber, dass man Frauen heutzutage kein Kompliment mehr machen könne, ohne dass diese gleiche Belästigung rufen würden. In der Medienmitteilung nicht erwähnt wurde, dass der Fall auch extern untersucht wurde und jene Untersuchung zum Schluss kam, dass der Vorwurf berechtigt war. Dies war in den Medien ein Thema und offenbar auch in einem Mail, das an Mitarbeitende der Unia geschickt wurde.

Seit 1996 ist das Gleichstellungsgesetz in Kraft, und seither ist sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz verboten. Die meisten Klagen – so sie denn vor Gericht kommen – scheitern allerdings, wie Katharina Bracher in der ‹NZZ am Sonntag› aufzeigte. Es sei zwar der zweithäufigste Diskriminierungsgrund, doch zu einem Urteil zugunsten der klagenden Person kommt es fast nie. Dazu kommt, dass in 90 Prozent der Fälle vor Gericht kein Arbeitsverhältnis mehr besteht. Eine Klage gegen sexuelle Belästigung führt also in der Regel zu einem Verlust des Arbeitsplatzes. Selbst krasse Fälle, wie jener des Kochs, der gegenüber einer Praktikantin praktisch täglich sexuell anzügliche Bemerkungen machte wie beispielsweise, ob er sie vergewaltigen müsse, damit sie schneller arbeite, und der zudem noch mehrfach handgreiflich wurde, sind nicht zwangsläufig erfolgreich. Der Koch wurde vor Bezirksgericht noch freigesprochen, weil es ja allgemein bekannt sei, dass in Küchen ein raues Klima herrsche. Erst vor Obergericht wurde der Koch verurteilt. Noch schwieriger ist es wohl, wenn es keine klaren physischen Übergriffe oder Drohungen gibt. In guter Erinnerung ist mir noch die Untersuchung beim ewz. Hier kam die Geschäftsprüfungskommission des Gemeinderats zwar zum Schluss, dass die drei betroffenen Frauen unter einem sexistischen Arbeitsklima und Diskriminierung zu leiden hatten, hielt aber fest, dass es sich dabei nicht um sexuelle Belästigung handelte. Der Bericht war umstritten, wurde aber mehrheitlich genehmigt.

Aufgrund der Medienmitteilung und der Medienberichte im Fall Roman Burger ist nicht rekonstruierbar, was wirklich vorgefallen ist. Man sollte dabei aber nicht vergessen, dass an eine Gewerkschaft auch höhere Ansprüche gestellt werden können, wenn es um die Arbeitsbedingungen geht. Und dass Roman Burger nicht einfach ein Bekannter der Betroffenen war, sondern ihr Vorgesetzter. Und dass eben auch da höhere Ansprüche gelten. In diesem Lichte ist diese Formulierung ungeschickt, wie dies auch der Medienverantwortliche gegenüber der ‹Schweiz am Sonntag› einräumte. Der Satz und die dadurch ausgelösten Spekulationen waren sicher nicht die Absicht der Unia. Aber sie zeigen, dass in heiklen Themen eine sorgfältige Kommunikation wichtig ist.

Auch beim Thema Asylunterkünfte kann Kommunikation eine entscheidende Rolle spielen. Zuweilen auch zum Guten. Die Stadt Winterthur wurde vergangene Woche mit einem renommierten Preis in der Unternehmenskommunikation ausgezeichnet. Und zwar ging es um die Unterbringung von Flüchtlingen in der Kirche Rosenberg (P.S. berichtete), die trotz schwierigen Umständen gut gelang. Die Kommunikationsverantwortliche Katharina Rüegg wollte die Unterbringung als Weihnachtsgeschichte erzählen: Geplant war eine Medienkonferenz am 23. Dezember. Doch aus dem Umfeld der Kirche wurde diese Information schon vorher bekannt, die Stadt musste ihre Medienkonferenz vorziehen. Eingezogen sind die Flüchtlinge im Januar, just als die Ereignisse rund um die Kölner Silvesternacht viele Menschen verunsicherte. Trotzdem stiess die Unterbringung der Flüchtlinge in der Kirche bei der Bevölkerung auf Akzeptanz. Der zuständige Stadtrat Nicolas Galladé glaubt, dass es entscheidend sei, mit welcher Haltung kommuniziert werde: «Die Unterbringung von Asylsuchenden kann immer ein potenziell heikles Thema sein. Die aktuellen Beispiele zeigen aber klar: Es ist entscheidend, ob eine Behörde mit einer solidarischen, mutigen, aber auch pragmatischen Haltung an die Arbeit geht, oder ob sie sich egoistisch, ängstlich oder opportunistisch zeigt. Je nach Haltung wird in der Bevölkerung Solidarität und Engagement gefördert oder eine bestehende Ablehnung verstärkt.» Behörden und deren politische Vorgesetzte stehen häufig wegen ihrer Kommunikation in der Kritik. Umso mehr ist ihnen auch zu gönnen, dass sie dafür honoriert werden, wenn es gut gelingt.