Lau

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Ich habe mich früher immer über Artikel geärgert, in denen JournalistInnen den lauen Wahlkampf beklagten. Aber wie man ja weiss, werden aus den grössten Kritikern der Elche selber welche. Nun ist das natürlich sehr unfair gegenüber all jenen Kantonsrats- und Regierungsratskandidatinnen und kandidaten, die sich auf der Strasse oder am Telefon, an Aktionen und an Veranstaltungen abstrampeln. Der Wahlkampf scheint mir aber noch nicht richtig in Gang gekommen zu sein.

 

Für Aufregung sorgte bisher nur Jacqueline Fehr (SP), die durch ein paar forsche Bemerkungen den Groll der Seegemeinden auf sich zog, was sie mittlerweile aber mit einem offenen Brief (erschienen im P.S.) und einem differenzierten Interview in der NZZ wieder ins Lot brachte. Ansonsten verlief der Regierungsratswahlkampf ziemlich unspektakulär. Und weil Grüne und Mitte – mit Ausnahme der BDP – auf Aufbaukandidaturen gesetzt haben, wird es wohl im Wahlkampf und im Resultat unspektakulär bleiben. Die Bisherigen werden wohl wieder gewählt, die zurücktretenden Thomas Heiniger (FDP) und Markus Kägi (SVP) werden voraussichtlich durch Thomas Vogel (FDP) und Natalie Rickli (SVP) ersetzt.

 

Nun gäbe es bei den Regierungsratswahlen durchaus Potenzial für Spannung. Die SVP hatte in der Vergangenheit immer wieder Mühe, Exekutivwahlen zu gewinnen, und auch die CVP hatte hier schon leidvolle Erfahrungen. Zumal die Formkurve bei beiden Parteien abwärts zeigt. Doch die Kandidaten der Grünen, GLP und der EVP, die am ehesten noch eine Gefahr darstellen könnten, sind wohl zu unbekannt. Dies, obwohl sie alle im Kantonsrat keine Hinterbänkler sind. In der heutigen Medienwelt wird es aber – zu Unrecht – immer schwieriger für kantonale und kommunale Politiker, gegenüber der nationalen Prominenz zu bestehen.
Neben Jacqueline Fehr sorgte einzig Roger Köppel für Aufregung, durch seine mehr oder minder unabgesprochene Lancierung der eigenen Ständeratskandidatur mitten in der newsarmen Zeit. Kein anderer Ständeratskandidat – der notabene von der eigenen Partei gar noch nicht aufgestellt wurde – könnte sich bei der Bekanntgabe der Kandidatur über ähnliches Medieninteresse freuen. Für die Partei ist es ein zweischneidiges Schwert. Köppel vermag vermutlich die SVP-WählerInnen zu mobilisieren. Er ist der einzige Nationalrat, der mit seinen Vorträgen Hallen füllen kann und auf Podien eine rhetorische Dampfwalze auffährt, gegen die kaum einer prestieren kann. Auf der anderen Seite steht er mit seiner Kandidatur Alfred Heer in der Sonne, der als langjähriger Parteipräsident und Nationalrat weit mehr als Köppel für die Partei geleistet hat. Zudem scheint auch nicht ganz klar, warum Köppel, der an der Parlamentsarbeit im Nationalrat kaum Gefallen gefunden hat, sich unbedingt noch mehr davon aufhalsen will.

 

Der SVP wurde schon oft der Niedergang vorhergesagt. Bis anhin konnte sie sich aber gut bis sehr gut behaupten. Dennoch scheint die SVP im Moment in schlechter Verfassung. Das haben auch die Resultate der kommunalen Wahlen gezeigt. Dort hat die SVP insbesondere in der Stadt Zürich ein katastrophales Resultat erlebt und fast 4,5 Prozent Wähleranteil verloren. Damit rutschte sie hinter die Freisinnigen zurück, die neu zweitstärkste Partei wurden. Auch in anderen Gemeinden verlor sie, namentlich in Hochburgen wie Schlieren und Dietikon. Die SVP verlor also da, wo einst ihr Aufstieg begonnen hat.

 

In den 1990er-Jahren begann die SVP in der Stadt Zürich damit, was ihr in den kommenden Jahren und Jahrzehnten viel Erfolg und Wähleranteil eingebracht hat. Aggressiver Wahlkampf, Zuspitzung, Mobilisierung, Bauern-Zmorge, die Stadt war das Laboratorium des SVP-Aufstiegs. 1990 hat die SVP in der Stadt Zürich ihren Stadtratssitz verloren. Vier Jahre später gab die SVP Gas: Auf Inseraten war eine verschreckte Frau zu sehen, von einem Messerstecher bedroht: «Das haben wir den Linken und den ‹Netten› zu verdanken: mehr Kriminalität, mehr Drogen, mehr Angst.» Der damalige kantonale Sekretär Hans Fehr erinnert sich in der NZZ wie folgt: «Das Messerstecher-Inserat war unsere erste Kampagne, die wirklich eingefahren ist.» Die kalkulierte Empörung folgte, und die Rechnung ging auf. Wie Fehr weiter berichtete: «Wir haben uns den Angriff auf die Linken und Netten sehr gut überlegt. Wir hofften, dass es zur Eskalation kommt, zum Aufschrei.»

 

Für die Aufreger sorgten damals SVP-Werber Hans-Rudolf Abächerli, der später durch Alexander Segert abgelöst wurde, der dessen Erbe würdig weiterführte. Doch der Werber war sekundär, meinte Fehr, ein kleiner Kern der Parteileitung habe gespürt, wo es den Leuten unter den Nägeln brenne. «Erst wenn die Kernbotschaft klar ist, kommt der Werber zum Zug.» In jenen Parteien, in denen der Werber die Botschaften bestimme, komme es nicht gut. Die Strategie ging auf. 1998 zog die SVP mit der FDP gleich, 2002 überholte sie die FDP klar und zog mit 31 Sitzen in den Gemeinderat ein. Heute hat sie noch 17 Sitze, die FDP 21.

 

Die SVP hat in den Städten ein eklatantes Personalproblem. In der Stadt Zürich hat sie den Abgang von Mauro Tuena auf die nationale Ebene noch nicht verdaut. In der Stadt Bern dominiert immer noch Erich Hess das SVP-Geschehen, in Basel macht die SVP vor allem mit Intrigen Schlagzeilen. Und trotz Schützenhilfe der ‹BaZ› gelang es ihr nicht, in der Stadt auf irgendeinen grünen Zweig zu kommen. In der Stadt Zürich und auch im Limmattal gelang es der SVP damals, ins Arbeitermilieu vorzustossen, in die ehemaligen Hochburgen der SP. Mittlerweile haben sich die Städte, aber auch gewisse Agglomerationsgemeinden gewandelt. Linke und grüne Parteien wurden in den vergangenen Wahlen weiter gestärkt.

 

Diese kleine Gruppe der Parteileitung, die die Partei führte und peitschte und antrieb, scheint nicht mehr zu existieren. SVP-Präsident Koni Langhart erfuhr im besten Fall kurz vor der Medienkonferenz überhaupt von Köppels Vorhaben. Auch auf nationaler Ebene wirkt die Partei hilf- und orientierungslos. Die Kampagne zur Selbstbestimmungsinitiative wurde nicht mit der alten Agentur geführt und sah aus wie eine Mischung aus Postwerbung und CVP-Wahlkampagne. Am Schluss stimmten 33,8 Prozent der Initiative zu, nur wenig mehr als der SVP-WählerInnen-Anteil beträgt. Die zahme Strategie ist nicht aufgegangen.
Was nicht heisst, dass die SVP wirklich die Wahlen verlieren wird. Gleiches gilt für die CVP, die in den Gemeindewahlen mit Ausnahme der Stadt Zürich gar nicht so schlecht abgeschnitten hat. Was bei beiden Parteien denn auch nicht heisst, dass damit ihre Probleme behoben sind.