Minarett-Initiative: Der Inhalt ist das Problem, nicht die Verpackung

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Die SVP hat ihr Ziel schon erreicht. Statt darüber zu diskutieren, ob die Minarett-Initiative gegen die Verfassung und gegen die Religionsfreiheit verstösst, geht es jetzt um Zensur und Plakatgestaltung . Wenn schon, dann hätte man die Initiative für ungültig erklären lassen müssen, doch dazu fehlte dem  Bundesrat und dem Parlament der Mut. Statt dessen geht es darum, ob man die Plakate aufhängen darf oder nicht. Da diese nun bereits in den Medien zu sehen waren, kann es der SVP ganz egal sein, ob sie schliesslich an den Plakatwänden hängen. Gesehen hat sie eh schon jeder.

Dieses Spiel ist immer dasselbe und die SVP spielt es mit einigem Erfolg. Statt über Inhalte reden wir über – zugegebenermassen eindeutig zweideutige – Verpackung. Ob der in den Plakaten offensichtliche Minarett-Neid einzelner SVP-Exponenten nun wirklich viel krasser ist als schwarze Schafe, schnauzbärtige Verbrecher, rote Ratten oder Messerstecher leuchtet mir auf den ersten Blick nicht ein. Die Stildiskussion ist unnötig und kontraproduktiv, denn sie suggeriert, dass die Anliegen der SVP eigentlich schon recht seien, wenn sie sie nur etwas «anständiger» kommuniziert würden. Diese Schizophrenie können wir Linken und Grünen gerne lavierenden Moralaposteln wie Markus Arnold aus der CVP überlassen. Wir sollten unsere Kräfte dafür einsetzen, gegen die Initiative zu kämpfen und an der Urne zu gewinnen.

Die SVP hat sich meines Erachtens nur zweimal in der Werbung wirklich unanständig verhalten. Beim einen ging es um ein Inserat in der Abstimmung über die Abschaffung der AHV-/IV-Beihilfen. Dort hat die SVP, obwohl sie im Kantonsrat zusammen mit der FDP die Abschaffung vertreten hat und die SP das Referendum dagegen ergriffen und gewonnen hat, frech behauptet die Abschaffung  der Beihilfen sei «den Linken und Netten zu verdanken». Das ist klar gelogen, unwahr und unlauter und in diesem Sinn auch unanständig. Der zweite Fall ist aktueller: Prominente SP- und Grüne Politikerinnen und Politiker werben in Inseraten für Ernst Stocker. Und dies gegen deren Willen. Sie haben bloss – auf Anfrage der Medien – zwischen Menschen und Politiker unterschieden und ein paar höfliche Dinge über Ernst Stocker gesagt. Wie man es immer macht und wie es anständig ist. Schliesslich – und dieser Meinung bin ich mit grosser Überzeugung – lebt eine Demokratie vom Wettbewerb der Ideen, von der Differenz und der Diskussion der Ansichten und Lösungsansätzen. Dies bedingt auch, dass man dem politischen Gegner mit Repekt begegen soll. Die SVP hat dies ausgenützt und die Zitate für ein Ernst-Stocker-Inserat mit Absender eines überparteilichen Komitees verwendet und suggeriert damit, diese Politikerinnen und Politiker der SP und der Grünen seien Teil dieses Komitees. Das zeigt das SVP-Menschenbild auf, das – wie wir im SF-Porträt von Gerhard Blocher gut bei Gerhard und seinem Bruder gesehen haben – nur zwischen Freund und Feind unterscheiden kann und den Feind als jemanden betrachtet, den man ungeniert in die Pfanne hauen und hinters Licht führen kann und soll. Damit ist auch klar was die Konsequenz ist: Eine Auskunft über einen Politiker oder eine Politikerin der SVP gegenüber den Medien kann nur negativ sein, sonst würde es gegen mich verwendet. Das widerspricht meinen Überzeugungen und manchmal auch meiner Wahrnehmung, aber offenbar ist dies so gewollt.

In diesem Sinne nehme ich auch Ernst Stocker in Schutz, wenn er sagt, er habe gegen seine Überzeugung im Kantonsrat für ein Minarett-Verbot gestimmt. Ich habe dafür Verständnis, denn auch ich bin schon fraktionsintern unterlegen und habe mich dann im Rat an die Entscheidung der Fraktion gehalten.  Doch trotzdem muss festgehalten werden: Mitgefangen mitgehangen. Ernst Stocker ist und bleibt ein überzeugtes Mitglied der Partei, die die Minarett-Initiative mit überwältigender Mehrheit unterstützt hat. Und er teilt das SVP-Gedankengut und heisst es gut. Die SVP ist schliesslich nicht nur in dieser Frage daneben. Auch wenn Ernst Stocker vielleicht wirklich ein netter und umgänglicher Mensch ist.

  1. Okt 10, 2009 11:16 am

    Das Problem ist nicht das Plakat, nicht der Inhalt, sondern die Stil-Fixierung der SP, die auch aus diesem Post spricht. Wenn es im politischen um die «Freund/Feind-Unterscheidung» geht, dann muss die Frage lauten: wozu braucht eine Religion im 21. Jahrhundert Türmchen?
    Wenn sich die SP und die aufgeklärten Muslime mit dieser Frage beschäftigen würden, kämen sie zu zwei interessanten Ergebnissen:
    Minarette und Kirchtürme sind gleich alt, beide stammen aus der Zeit der Kreuzzüge. Die EDU hat darum richtig gespürt: im aufgeklärten Westen braucht es für die Religionsübung keine Türmchen. Wir haben zwar hier Kirchtürme: aus historisch-sentimentalen Gründen und weil sie gute Mobilfunkantennen-Standorte sind. Punkt. Der Kirchturm symbolsiert das «Dorf» die «Gemeinde» die Urzelle des Politischen. Wir sind immer «Kirchturmpolitiker». Ich frage: verzichten Muslime in der Schweiz auf ihr Handy, nur weil die Mobilfunkantenne in einem Kirchturm stecken könnte? Schauen sie nicht auf den Kirchturm um die Zeit zu lesen, nur weil ein Kreuz obendrauf ist? Hoffentlich nicht!
    Wir brauchen keine neuen phallokratischen Symbole im öffentlichen Raum, die schon bestehenden christlichen genügen für Uhren, Glockenschlag und Mobilfunk: services, die allen zu Gute kommen.

    Ein Minarett ist einfach ein überflüssiges Symbol, dass von Spinnern als «Bajonett», «Mittelstreckenrakete» oder «Zahnbürste» interpretiert werden könnte. Das Minarett ist ein öffentlicher Rorschachtest: völlig unnötig, und gefährlich, wenn auch nur der leiseste Verdacht bestehn könnte, dass irgendwelche Idioten damit den «Dschihad» (den kleinen) assozieren.

    Die SP-Minarett-Freundlichkeit ist eine duslige Gutmenschen-Sentimentalität. Wer Minarette sehen will, geht in den Osten, wer unverschleiert sein will lebt im Westen, wer St.Peter sehen will fährt nach Rom. Und vor wem jeder in seinem Herzen betet (jahwe, allah, Gott) kann nicht (wie zur Zeit der Kreuzzüge) einen Einfluss auf den säkularen öffentlichen Raum haben.

    Hoffe damit Min Li zu einer hochstehen Fueilleton-Debatte herausgefordert zu haben. 😉

  2. Okt 13, 2009 5:04 pm

    Nun denn. Gegen die Minarett-Initiative zu sein, heisst ja nicht automatisch für ein Minarett zu sein. Allerdings verträgt es meines Erachtens in einer freiheitlichen Gesellschaft auch Symbole, die irgendwelche Idioten falsch verstehen könnten. Ansonsten ist dies doch eine vollständige Kapitulation vor allen Idioten bzw. eine Vorwegnahme einer vielleicht entstehenden Interpretation. In Zürich steht seit 1963 ein Minarett, das bis anhin weder zu Dschihad noch zu Dschihad-Ängsten geführt hat. Doch darum geht es nicht. Mir scheint der «pursuit of happiness» beeinhaltet sowohl die Architektur-Freiheit als auch die Religionsfreiheit.

  3. Okt 17, 2009 5:17 pm

    Warum denn wird das «Hakenkreuz» verboten? Warum haben wir unserem Rechtssystem den «Anti-Rassismus-Artikel»? Hier wird von den linken Gutmenschen mit zwei Ellen gemessen. Nur weil Ausschwitz kürzer zurück liegt als die Türkenkriege?
    Gerade die bemühte «pusuit of happiness» ist eine calvinistische Vorstellung, geboren aus der Idee der «unsichtbaren Hand» von Adam Smith und dem Puritanismus der Gründerväter Amerikas. Dies sind Vorstellungen, die dem Islam gänzlich fremd sind. Die Erklärung der Menschenrechte wird vom Islam nur unter Vorbehalten anerkannt (Ungleichheit von Mann und Frau, Gläubigen und Ungläubigen), wie auch die katholische Kirche lange ihre Mühe damit hatte. Die schlichten Demografischen Tatsachen: Ueberschuss an jungen Männern in islamischen Gebieten und Ueberalterung der Gesellschaft in der WASP-Gesellschaft wird dazu führen, dass sich der Islam auch in Europa (das von amerikanischen Strategen schon «Eurabia» genannt wird) dominierend festsetzen wird.
    Die ängstliche Haltung des öffentlichen Mainstreams in der Minarett-Frage zeigt denn auch, dass sich die Intelligenz (die sich immer auf die Seite der Schläger stellt) diese Wende schon vollzogen hat: In Schweden hat es die muslimische Minderheit erreicht, dass die christlichen Gottesdienste nicht mehr am Staatsfernsehen übertragen werden dürfen, in Köln darf – «aus Gründen der öffentlichen Sicherheit» – nicht gegen den Bau einer Grossmoschee demonstriert werden, in Berlin werden Theaterstücke abgesetzt, Romane werden nicht verlegt, kurz: die Kunst-, Presse- und Meinungsäusserungsfreiheit werden schon «freiwillig» aus Angst vor Reaktionen in der islamischen Welt beschnitten. Was Sibylle Berg gegen Roger Koeppel und Blocher schrieb, gilt genauso gegenüber dem Islamismus:

    «Schade nur: Wer sich nicht wehrt, stirbt aus. Das ist Evolution. Dann halt, sagen die Schweizer Damen, wozu brauchen wir ein Wahlrecht, wir sind ja nicht mehr als aus Unwissenheit linkswählende Prostituierte; dann halt, sagt der gemeine Schweizer und überlässt sein Land Rechtsreaktionären; dann halt, sagt das Land, ehe es verschwindet, wie der Neandertaler, Helgoland und die Monarchie. Es hat eben alles seine Zeit. Dass der Klügere gewinnt, ist ein Gerücht, in Umlauf gebracht, um die Menschen zu trösten.»

  4. Okt 19, 2009 1:54 pm

    1. Als nicht WASP hält sich mein Mitfühlen mit der Sorge, dass die WASPs aussterben in Grenzen.
    2. Meines Wissens diskriminiert die katholische Kirche Frauen immer noch.
    3. Bin ich völlig dagegen, dass Stücke abgesetzt werden oder Demonstrationen verboten werden. Aber vielleicht sollte man etwas mehr Zuversicht in die Attraktivität und Ausstrahlung unserer Werte haben.