Es war kein guter Abstimmungssonntag für Initiativen. Die beiden agrarpolitischen Initiativen haben nach ersten hohen Sympathiewerten rasch an Zustimmung verloren (Analyse auf Seite 7). Immerhin wurde der Bundesbeschluss Velo, ein Gegenentwurf zur Velo-Initiative, mit satter Mehrheit angenommen.
Bei den kantonalen Abstimmungen erlebten alle drei Initiativen krachende Niederlagen. Bei der Limmattalbahn und bei der Initiative «Wildhüter statt Jäger» waren alle Fraktionen im Kantonsrat dagegen, entsprechend sind die klaren Niederlagen nicht weiter erstaunlich. Bitterer sieht es aus für die Initiative für ein Film- und Mediengesetz. Diese wurde von AL, Grünen, EVP und schliesslich auch von der SP unterstützt. Dennoch konnte sie nur einen Ja-Stimmenanteil von 19,2 Prozent verbuchen. Nicht einmal in den kulturfreundlichen Kreisen 4 und 5 vermochte die Initiative eine Mehrheit zu überzeugen.
Für die Initianten ist dies ein klarer Dämpfer, sie hatten sich ein weit besseres Resultat erhofft. Der Transparenz halber sei hier gesagt, dass ich Mitglied des Initiativkomitees war.
Im Nachhinein ist man bekanntlich immer klüger und das ist hier nicht anders. Der Mehrbedarf für kulturelle Ausgaben, namentlich für den Film und auch für neue Kulturformen wie künstlerisch anspruchsvolle Games scheint mir nach wie vor gegeben. Der Weg dazu war aber wohl ein zu komplizierter. Warum es dafür ein separates Gesetz braucht, war wohl den meisten nicht einsichtig. Das Vorpreschen der Film- und Gamebranche für sich selber wurde wohl auch als Auseinanderspielen von verschiedenen Kulturrichtungen interpretiert.
Damit wurde – auch wenn es nicht unbedingt gewollt war – unnötiges Geschirr zerschlagen. Die Kulturverbände hatten sich zwar alle hinter die Initiative gestellt, den nötigen Enthusiasmus für einen gemeinsamen Kampf wohl aber nicht gross aufgebracht. Auch gewisse Stimmen von links haben sich mit der Begründung des gegenseitigen Ausspielens gegen die Initiative gewandt. Dabei haben sich jetzt alle gegenseitig einen Bärendienst erwiesen. Die Initianten, weil sie für die Filmförderung, die sonst viele Sympathien geniesst, eine unnötige Niederlage kassiert haben. Aber genauso die linken GegnerInnen, die zwar eigentlich für mehr Kulturausgaben sind, aber beim ersten konkreten Beispiel dagegen stimmen. Denn damit ist die Ausgangslage für die künftige Erhöhung der Kulturgelder sicher nicht besser geworden, weil sich die Bürgerlichen jetzt immer auf das deutliche Resultat berufen können.
Überraschend war das relativ deutliche Resultat bei der Initiative «7 statt 9» in der Stadt Zürich. Ein SVP-Kantonsrat, der sonst in Prognosen oft recht liegt, hatte eine deutliche Annahme der Initiative vorausgesagt, da eine Initiative für eine Stadtratsverkleinerung in seiner Heimatstadt deutlich angenommen worden ist. Eingetroffen ist das Gegenteil: Die Initiative wurde deutlich und in allen Stadtkreisen abgelehnt, insgesamt 61,8 Prozent der Zürcherinnen und Zürcher wollten von der Reduktion nichts wissen. Dabei war die Initiative von allen bürgerlichen Parteien, der GLP und ‹Tages-Anzeiger› und NZZ befürwortet worden, ebenfalls dafür engagierten sich die beiden ehemaligen Stadtpräsidenten Elmar Ledergerber (SP) und Thomas Wagner (FDP).
Vermutlich ist der Grund für die Ablehnung banal: Die Mehrheit der Zürcherinnen und Zürcher ist zufrieden mit dem Stadtrat und sieht keinen Grund, irgendetwas zu ändern. «Eine Operation am gesunden Patienten», wie es Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) formuliert hatte, wurde als unnötig angesehen. In der Vergangenheit waren allerdings ähnlich gelagerte Initiativen an vielen Orten mehrheitsfähig (P.S. berichtete). Der Berner Freisinnige Christian Wasserfallen, der damals für die Verkleinerung der Berner Exekutive gesammelt hat, meinte zur NZZ: «Die Leute sind beinahe Schlange gestanden.» Es schien plausibel, dass Initiativen für Stadtratsverkleinerung bei der Bevölkerung populärer sind als bei der Politik, wo sich jeder selber als potenzieller Stadtrat sieht. Und dass eine solche Initiative ja auch jene Teile der Bevölkerung anspricht, die auf Politiker und Politikerinnen generell nicht gut zu sprechen sind. Diese Zahl ist in der Stadt Zürich offenbar geringer als in Bern, wobei dort die Bevölkerung auch nie gefragt wurde.
Offenbar hat sich – mindestens in der Stadt Zürich – aber auch der Zeitgeist verändert. Die Initiativen für eine Exekutivverkleinerung, die ja auch in der Regel eine Auslagerung von gewissen Aufgaben bedingen, das Postulieren der Notwendigkeit von Effizienzsteigerung in der Verwaltung atmen den Geist der 1990er-Jahre. Damals standen alle Zeichen auf New Public Management. Die Verwaltung solle moderner, kundenorientierter werden. Mehr wie die Privatwirtschaft funktionieren. Diese Philosophie hat an Glanz verloren. Das Beispiel von teilausgelagerten Staatsbetrieben, die in geschützten Märkten Privatwirtschaft spielen – was sich vor allem in hohen Löhnen und Boni ausdrückt – haben das Ihre zur Entzauberung von New Public Management beigetragen.
Zur Ehrrettung des vielgescholtenen New Public Management muss man einwenden, dass die Verwaltung in den letzten Jahrzehnten tatsächlich moderner und kundenfreundlicher geworden ist. Komplizierte Abläufe, ineffiziente Organisation und unnötige Doppelspurigkeiten sind bei grossen Organisationen – auch in der Privatwirtschaft – ein wenig systemimmanent. Das heisst nicht, dass man sich damit grundsätzlich abfinden sollte. Eine leistungsfähige Verwaltung ist auch im Interesse der Bevölkerung. Darum ist durchaus sinnvoll, dass die Verwaltung ihre Arbeitsweise überprüft, wie dies auch das Postulat von SP, Grünen und AL fordert. Eine Verwaltungsreform ist aber auch kein Selbstzweck. Sie braucht klare Ziele und Vorgaben, sonst ist damit auch nichts gewonnen. Ohne Stadtratsverkleinerung gelingt das vermutlich sogar besser, weil nicht ständig das Damoklesschwert der eigenen Abwahl über dem Stadtrat schwebt.