Mein neuer Beitrag im Clack
Gestern sass ich am Sushi-Fliessband und überhörte dabei das Gespräch zweier Männer. Die beiden Mittdreissiger unterhielten sich über Ernährung. Die Freundin des einen interessiert sich jetzt sehr für vegane Ernährung und sie würden jetzt überlegen, sich und die Familie (inklusive Baby) nur noch vegan zur ernähren. Oder sonst nur ganz selten noch ein Ei oder noch viel seltener ein Stück Bio-Lammfleisch vom Hof – aus ökologischen Gründen.
Warum er dann Sushi essen geht, bleibt sein Geheimnis, denn Sushi schmeckt zwar gut, ist aber ökologisch ziemlich zweifelhaft. Danach drehte sich das Gespräch meiner beiden Mitesser um einen Bekannten, der irgendeine Diät gemacht hat, mit der er sagenhaft viel abgenommen hat. Ich muss an dieser Stelle sagen, dass die beiden Männer sehr schlank waren. Während dem ich also meine ökologisch zweifelhaften Thunfish-Sashimi ass, dachte ich mit etwas Wehmut an die Zeit zurück, als heterosexuelle Männer sich noch nicht obsessiv mit Ernährung befasst haben. Als es nur darum ging, ob es schmeckt oder wieviel man davon reinschaufeln kann.
Die Ernährungsobsession war noch bis vor kurzer Zeit eine reine Frauen-Domäne. Und ich war immer überzeugt, dass Frauen, wenn sie in der Hälfte der Zeit, in der sie sich mit der Frage quälen, wie schlimm sie im Bikini aussehen und wie das zu beheben sei, über Macht und Geld nachdenken würden, die Emanzipation viel weiter fortgeschritten wäre. Geschweige denn, wenn sie sich mit Weltfrieden, Welthunger oder Weltformel beschäftigen würden. Käme allerdings eine Fee zu mir und würde mir drei Wünsche gewähren, so wäre auch ich doch sehr in Versuchung den Wunsch, alles essen zu können ohne dick zu werden, noch vor dem Weltfrieden anzubringen. Und ganz sicher vor Macht und Geld. Die fortschreitende Emanzipation hat nun aber nicht dazu geführt, dass Frauen ein besseres Verhältnis zu ihrem Körper bekommen, sondern dass Männer jetzt auch ein schlechtes haben. Wenn ich meinen Bekanntenkreis beobachte, haben bei Diäten die Männer mindestens gleichgezogen.
Es geht aber längst nicht mehr nur um Gewicht oder Gesundheit. Essen ist zur politischen Kampfzone geworden. Fleischesser versus Veganer. Schulkinder versus einer bösen Lebensmittel- und Fastfoodindustrie, die sie mit Zucker und Konservierungsstoffen anfixen will. Gleichzeitig postet heute, wer etwas von sich hält, Bilder vom selbstgekochten oder im Gourmetlokal verspiesenen Essen auf Facebook. Zuerst kochten alle nach Jamie, heute kochen alle nach Ottolenghi. Köche sind die neuen Rockstars.
Die deutschen Grünen hätten sich mit ihrer Forderung nach einem Vegi-Tag ein elektorales Grab geschaufelt, hiess es nach den letzten Wahlen. Und wenn wir im Gemeinderat Zürich über ein Postulat sprechen, dass in den städtischen Kantinen auf Fleisch aus Massentierhaltung verzichtet werden soll – dann könnte man in der Debatte meinen, es gehe um Leben und Tod.
Ich bin da durchaus gespalten. Klar sehe ich die ökologischen Folgen von zu viel Fleischkonsum und die gesellschaftlichen Folgen von ungesunder Ernährung. Aber ich verstehe auch die Abwehr und die Unlust, sich bevormunden zu lassen. Weil man jetzt beim Essen gleich ein doppeltes schlechtes Gewissen haben muss: Denn das Cordon-Bleu macht nicht nur dick und ist ungesund, sondern neu auch ökologisch böse.
Einer meiner Bekannten nimmt sich immer total übertriebene Sportprogramme vor – so dreiwöchiges Bootcamp jeweils morgens um sechs Uhr – und geht dann einmal hin und danach nie wieder. Und ich sage dann jeweils, warum machst du nicht einfach ein bis zwei Mal pro Woche Sport, das könntest du dann wenigstens durchziehen. Und so ist es auch mit dem Fleischkonusm. Wir müssen nicht alle Vegetarier werden – aber vielleicht ein oder zweimal in der Woche auf Fleisch verzichten. Dann können wir uns auch wieder mal an was anderes denken.