Mein neuer Beitrag im Clack
Eigentlich mag ich das Totschlag-Argument «Firstworld-Problem» nicht. Firstworld-Problem heisst auf altmodisch: Ach wie glücklich ist ein Land, dessen grösstes Problem – hier etwas einsetzen wie Parkplätze, Bachelor-Auswahl oder Hafenkräne – ist. Ja, wir sind ein reiches Land und darum haben wir tatsächlich andere Probleme als der nackte Kampf ums Überleben. Dass das nicht automatisch sich in Glück verwandelt scheint mir aber ebenso klar.
Das wohl topdiskutierteste Firstword-Problem im Moment ist der Christa-Rigozzi-Arena-Skandal. Zur Erinnerung: Die Arena gab bekannt, dass Christa Rigozzi in die Arena eingeladen wurde, um dort für eine zweite Röhre beim Gotthard-Tunnel einzutreten. Die SP-Nationalräte Cédric Wermuth und Jacqueline Badran machten sich via Twitter darüber lustig und fragten, ob die Arena nun mit Glanz und Gloria fusionieren wolle. Darauf wurde den beiden SPlern Sexismus vorgeworfen. Die beiden würden Christa Rigozzi den Arena-Auftritt bloss darum nicht zutrauen, weil sie eine Blondine und eine Ex-Miss sei. Der Beweis: Bei Sänger Gustaves Einsatz fürs Frühfranzösisch in der Arena hätten die beiden geschwiegen.
Wo ist nun der Skandal – bei der vorgeworfenen Boulevardisierung der Arena oder beim Sexismus von Wermuth und Badran? Zuerst einmal – ich habe die Arena nicht gesehen. Ich kann also nicht beurteilen, wie der Auftritt von Christa Rigozzi war. Medial wurde ihr allgemein ein gelungener Auftritt bescheinigt. Auf die Frage, wer nun im Unrecht sei, die Arena oder Badran und Wermuth, gibt es dennoch eine einfach Antwort: Beide.
Cédric Wermuth und Jacqueline Badran stritten den Sexismus-Vorwurf vehement ab. Es habe nichts mit der Person oder dem Geschlecht oder dem Aussehen von Christa Rigozzi zu tun. Es gehe darum, dass in der Arena eine Diskussion von Fachleuten stattfinden soll, die sich jahrelang vertieft mit dem jeweiligen Dossier auseinander gesetzt haben. Das ist insofern glaubwürdig, als ich tatsächlich nicht glaube, dass Sexismus oder das Vorurteil einer dummen Blondine eine Rolle gespielt haben – dass der Vorwurf bei Rigozzi kam und nicht beim Sänger Gustave hat wohl vor allem mit der grösseren Bekanntheit von Rigozzi zu tun. Ich habe auch etwas Verständnis dafür, wenn die Vorstellung, dass Erfahrung und Fachkenntnisse in allen Metiers eine Rolle spielen ausser in der Politik, nervt.
Aber: Die Vorstellung einer Expertokratie, einer Elite, die vor laufender Kamera auf hohem Niveau über Detailfragen unter ihresgleichen diskutiert, ist nicht nur schlechtes Fernsehen, es ist auch politisch falsch. Wir dürfen als Politikerinnen und Politiker nicht die Vorstellung nähren, dass Politik eine komplizierte und schwer verständliche und verdauliche Geschichte ist. Politische Entscheide betreffen alle – und darum sollen und können auch alle mitdiskutieren. Der Entscheid fällt am Schluss oft an der Urne. Warum ist dann also eine einfache Stimmbürgerin – die zufällig auch Ex-Miss Schweiz ist – kompetent genug sein, um zu entscheiden – aber nicht kompetent genug, um mitzureden? Warum soll – um ein anderes Beispiel zu nennen, im Literatur-Club nicht auch mal eine begeisterte Leserin mitmachen, die nicht Literaturkritikerin, sondern sagen wir mal Ex-Miss-Schweiz ist?
Es gibt also keinen Grund Christa Rigozzi nicht in eine politische Sendung einzuladen. Und es gibt auch kein Grund, warum Christa Rigozzi nicht einen politischen Standpunkt eloquent darlegen könnte. Dabei fällt aber der Vorwurf trotzdem auch auf die Arena zurück. Die Arena hat Christa Rigozzi kaum eingeladen, weil sie eine profunde Kennerin des Dossiers ist – das ist ja schliesslich auch nicht ihr Job. Und sie hätte sie wohl auch nicht eingeladen, wenn sie eine Tessiner Kioskfrau und nicht eine Tessiner Ex-Miss wäre. Die Arena hofft schlicht, dass mit der Wahl von Promis ein Hauch von Glamour ins angestaubte TV-Konzept weht. Mindestens medial ist dieses Konzept – Wermuth, Badran und Ringier sei Dank – aufgegangen. Ob es wirklich funktioniert, ist die andere Frage.
Der Samschtig-Jass wird auch nicht sexier, wenn er im Bordell aufgezeichnet wird. Ann Richards, Ex-Gouverneurin von Texas, prägte das Bonmot, dass eine Sau eine Sau bleibe, auch wenn man sie mit Lippenstift schminke. So bleibt die Arena – ob mit oder ohne Ex-Missen und Sängern – ein fader Abklatsch ihrer selbst. Sie hatte einst als Duell begonnen mit zwei durch einen Dompteur gebändigten Kontrahenten. Doch verlor sie die Polarisierung, stellte sich breiter auf und wurde schliesslich zur unentschiedenen Mischung aus Talk Show à la Zischtigs Club und ursprünglicher Arena. Wo die Leute etwas unbequem und unwohl an ihren Pulten stehen und nicht wissen, ob nun Kampfmodus oder Verbal-Kuscheln angesagt ist.
Die Wahl der Protagonisten ist zur politischen Frage der Parteien geworden – und nicht zu einer der Auftrittskompetenz. War früher die Bezeichnung Arena-tauglich eine Auszeichnung, so ist das heute mittlerweile jede und keiner. Wo keine Zeit bleibt, mehr als drei Argumente zu platzieren, ist es auch völlig Wurst, ob der Standpunkt nun von Giezendanner, Allemann oder Rigozzi vertreten wird. Daher würde ich – als einfache Fernsehzuschauerin – der Arena einmal raten, ihr Sendekonzept zu schärfen. Sich für Fisch oder Vogel zu entscheiden. Bis dann zappe ich weg.