Die Loose-Loose-Challenge

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Kolumne auf Clack

Kürzlich habe ich auf Facebook bei einem Spielchen mitgemacht, wo man als Statusmeldung 10 Bücher nennen soll, die einem geprägt haben und 10 weitere Personen dazu auffordern musste, dasselbe zu tun. Dazu gab es dann eine rege Diskussion (u.a. von Reda El Arbi*) darüber, ob diejenigen, die mitmachen, einfach alles Angeber seien, die ihr Bildungsbürgertum beweisen wollten.

Ehrlicherweise hat meine Bücherliste auch ein paar dieser Bildungsbürger-Titel drunter. Ich hatte mir überlegt, zu welcher Zeit Bücher mir viel Eindruck gemacht hatte. Und das war nun mal in der Adoleszenz. Da hatte ich eine sehr prätentiöse Phase. Dagegen ist nichts einzuwenden und das hilft einem auch im Leben bei so wichtigen Dingen wie Quizduell oder Trivial Pursuit. Aber es soll hier nicht um Literatur gehen, sondern um diese Social-Media-Challenges.

Ich bin ja durchaus froh, dass der Ice-Bucket-Kelch an mir vorüber ging. Denn eigentlich sind diese Spielchen totale Loose-Loose-Situationen. Man kann nur verlieren. Mitmachen ist nämlich doof, Nicht-Mitmachen aber auch.

Warum Mitmachen doof ist, versteht sich von selbst. Jeder weiss, dass Kettenbriefe, Mutproben oder andere Formen von Gruppendruck nie zu etwas Gescheitem führen. Und wir sind schliesslich keine Schafe, die einfach der Herde folgen. Nicht-Mitmachen ist aber genauso doof. Weil man ein Spielverderber wird. Weil man mit seinem Nicht-Mitmachen jedem Mitmachenden zu verstehen gibt, dass er der Doofe ist. In der heutigen individualistischen Zeitalter wären die meisten vermutlich lieber Spielverderber als Schafe, denn wer will schon blind der Herde folgen? Das Nicht-Mitmachen gibt einem das erhabene Gefühl über der Masse zu thronen.

Ich habe persönlich immer ein wenig Mühe mit kollektiven Massenhandlungen. Zum Beispiel dem Mitsingen bei Fussballmatchen, dem Mitklatschen bei Musikdarbietungen oder dem Mitschreien bei Demos oder Group Fitness-Übungen. Zum einen sind das schlichte Hemmungen, zum anderen lösen solche Momente auch ein mulmiges Gefühl aus. Interessanterweise erinnere ich mich dabei an meinen Religionslehrer, der aus Deutschland stammte und bei der Hitlerjugend war und seither sagte, er könne niemals wieder etwas in der Masse schreien, singen oder klatschen.

Das Problem bei der ganzen Geschichte – man beraubt sich dabei auch der Freude. Ein Fussballspiel mit Mitsingen und Klatschen ist nun mal unterhaltsamer. Mit düsterer Miene neben der Tanzfläche zu stehen und versuchen cool und ironisch-distanziert auszusehen, macht bedeutend weniger Spass als selber mitzutanzen. So ist doch letztlich vielleicht derjenige doof, der sich selber stets davon abhält, auch mal doof zu sein. Und unter dem Strich ist es vielleicht besser, sich selber als den anderen den Spass zu verderben.

Darum mache ich ab und an bei solchen Spielchen mit. Selbst wenn ich mich dabei als prätentiöse Angeberin oute.