Doppelt oder nüt

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In Bern werden gleich drei gleichstellungspolitische Anliegen diskutiert, die eigentlich selbstverständlich wären und ausgesprochen moderat formuliert sind. Es handelt sich um die Vorlage zur Lohngleichheit und um zwei Forderungen nach angemessener Vertretung: In den Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen von börsenkotierten Unternehmen und im Bundesrat gemäss einer parlamentarischen Initiative der grünen Nationalrätin Maya Graf.

 

Sie will, dass die angemessene Vertretung beider Geschlechter gleich wie die angemessene Vertretung der Sprachregionen und der Landesteile in der Verfassung verankert wird. Die beiden Gesetzesvorlagen von Simonetta Sommaruga zu Lohngleichheit und Geschlechterquoten sind bewusst moderat gehalten. Um künftig die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern zu verbessern, sollen Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitenden alle vier Jahre eine Lohngleichheitsanalyse durchführen. Bei Nichterfüllung passiert nichts. Bei der Reform des Aktienrechts sollen neu auch bei börsenkotierten Unternehmen Richtwerte zur angemessenen Vertretung beider Geschlechter von 30 Prozent für Verwaltungsräte beziehungsweise 20 Prozent für Geschäftsleitungen angestrebt werden. Wird dieser Richtwert nicht erreicht, muss das Unternehmen erklären, warum nicht. Sanktionen gibt es keine.

 

Beide Vorlagen seien «unerträglich moderat», kommentiert Claudia Blumer im ‹Tages-Anzeiger›. Bloss ein Fünftel unverbindliche Quote für Geschäftsleitungen, lediglich Analysen bei der Lohngleichheit, das sei zu wenig. «Nein danke, dann lieber gar nichts», ist Blumers Schluss daraus. Während Claudia Blumer findet, es sei zu wenig erreicht worden, wähnen sich Bürgerliche von der Lohnpolizei und schlimmerem verfolgt. Ob die Vorlagen Mehrheiten finden in Bern, ist noch offen.

 

Die Hauptargumente dagegen – ob Lohngleichheit oder Quote – sind in etwa dieselben. Wer nicht prinzipiell gegen Lohngleichheit oder gegen mehr Frauen in Verwaltungsräten ist, findet, die Firmen sollen sich freiwillig um Lohngleichheit und mehr Frauen bemühen. Wiederum andere – es gibt eine direkt umgekehrte Korrelation zum Frauenanteil in der jeweiligen Partei – meinen, dass es nicht nötig sei, weil die Gleichstellung ja schon lange erreicht ist. In der Regel wird dann auch eine der wenigen Frauen vorgeschickt, um sich gegen ebenjene Gleichstellungsmassnahme zu wehren. «Ich will keine Quotenfrau sein», sagt dann die Frau, die eben genau oft eine Quotenfrau ist, weil sie nur qua ihrem Geschlecht ebendiese Sprecherinnenfunktion überhaupt ausüben darf, im Brustton der Überzeugung. Eine weitere Variante davon ist, das Problem einfach zu negieren: Es gibt gar keine Lohnungleichheit, die Unterschiede können alle erklärt werden durch Faktoren wie Ausbildung oder Berufserfahrung. Oder: Die Frauen wollen gar keine Karriere machen, sie möchten lieber für ihre Familie da sein. Also auf gut deutsch: Frauen sind halt schlechter, darum verdienen sie weniger und werden nicht Chef. So einfach ist das.

 

Auch von links gibt es Widerstände: Frauenquoten, selbst Lohngleichheit wird hier teilweise ein wenig verächtlich als «BWL-Feminismus» abgetan. Das seien Anliegen, die nur einer kleinen Zahl von privilegierten Frauen wichtig sind und zugute kommen. Was nützt es der Coiffeuse mit kleinem Lohn, ob es eine Bundesrätin mehr oder weniger hat oder ob ein Drittel des Verwaltungsrates eines börsenkotierten Unternehmens weiblich ist oder nicht?

 

Die Kritik ist nicht unberechtigt. Ein höherer Frauenanteil in Verwaltungsräten heisst nicht zwingend, dass eine Firma frauenfreundlicher wird. Und es besteht auch die Gefahr, dass nicht mehr Frauen Verwaltungsratsmandate erhalten, sondern dass die wenigen Frauen, die heute bereits in Verwaltungsräten sitzen, einfach mehr Mandate haben, zu sogenannten «Golden Skirts» werden.  Bei der Lohngleichheitsanalyse kann zu Recht kritisiert werden, dass hier nur ein sehr kleiner Ausschnitt des Problems überhaupt angegangen wird. Die Lohngleichheitsanalyse bezieht sich nur auf die Lohngleichheit von zwei Personen, die exakt dasselbe tun in der gleichen Funktion und der gleichen Hierarchiestufe. Das geht weder das Problem der Gleichwertigkeit an – also dass typische Frauenberufe oft schlechter entlöhnt sind als typische Männerberufe – noch Probleme von struktureller Diskriminierung: Dass Frauen schlechter verdienen, weil sie gar nicht erst an gewisse berufliche Positionen gelangen, weil sie beispielsweise nicht befördert werden, weil sie häufig Teilzeit arbeiten. Und sie arbeiten häufig Teilzeit, weil sie Kinder betreuen. Dass Frauen mit Kindern aber häufiger das Pensum reduzieren als ihre Männer hat eben genau auch etwas damit zu tun, dass sie weniger verdienen. All diese Probleme werden dadurch nicht gelöst und die Coiffeuse hat dadurch weder einen besseren Lohn noch eine günstigere Kinderbetreuung.

 

Wo Claudia Blumer recht hat: Nur mit moderatem Vorgehen und Bitti-Bätti kommt man auch nicht weit. Das geht vor allem an die Adresse der bürgerlichen Frauen: Frauenanliegen sind immer dann vom Fleck gekommen, wenn auch die bürgerlichen Frauen kämpferische Töne angeschlagen haben. Dass die Schweizer Frauen so lange auf ihr Stimmrecht warten mussten, hatte auch damit zu tun, dass man sich immer schön moderat verhalten und keinen erschrecken wollte. Hätte nicht einmal eine Appenzellerin geklagt, gäbe es wohl immer noch kein Frauenstimmrecht in Appenzell Innerrhoden.

 

Es ist trotzdem bezeichnend und auffallend, wie häufig man bei Frauenanliegen ein Haar in der Suppe sucht – und natürlich auch findet. Und wie viel Erwartungen man auch damit verknüpft. Warum muss ein gleichstellungspolitisches Anliegen auch gleich alle gleichstellungspolitischen Probleme lösen? Warum müssen mehr Frauen in Verwaltungsräten auch gleich eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie bringen? Warum kann man nicht einfach damit leben, dass die Forderung nach mehr weiblichen Verwaltungsräten einfach mehr weibliche Verwaltungsrätinnen bringt. Und gerecht ist. Nicht mehr und nicht weniger. Die Frage der Vertretung in Bundes- oder Verwaltungsräten mag BWL-Feminismus sein – aber es ist vor allem eine Machtfrage. Und Macht erhält man nicht, wenn man nicht dafür kämpft. Und sei es auch nur für ein kleines bisschen. Mit der Doppelt-oder-Nüt-Strategie, wie sie Claudia Blumer propagiert, erreicht man in erster Linie das, was die Gegner wollen: Nämlich eben nichts. Und das ist erst recht nicht befriedigend.

 

Min Li Marti