Wahlen haben Konsequenzen

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Bei der Departementsverteilung des Stadtrats ist es ein wenig wie bei Mannschaftsaufstellungen im Fussball – jeder ist auch ein kleiner Fussballtrainer und weiss es daher besser. Der Zürcher Stadtrat hat am Mittwoch also bekannt gegeben, wie in den nächsten vier Jahren die Departemente aufgeteilt werden. Es kommt dabei zu einer grösseren Rochade, bei der zwei bisherige Stadträte gegen ihren Willen versetzt werden.

Sicherheitsvorsteher Richard Wolff (AL) soll neu dem Tiefbau- und Entsorgungsdepartement vorstehen und Filippo Leutenegger (FDP) das Schul- und Sportdepartement übernehmen. Beide sind über den Wechsel nicht glücklich. Bereits vor vier Jahren hat der Stadtrat den damaligen Sicherheitsvorsteher Daniel Leupi (Grüne) gegen seinen Willen zum Finanzvorstand gemacht. Dieser tat seinen Unmut sehr vehement kund. Darüber wunderte man sich als Beobachterin ein wenig, zumal der damalige Zwangswechsel eine eindeutige Beförderung war. Mittlerweile hat sich Daniel Leupi mit seinem neuen Amt als Kassenwart mehr als ausgesöhnt, wie man auch seinem guten Resultat bei den Wahlen anmerkt.

Ähnlich sollte es sich auch bei Richi Wolff entwickeln: Das Tiefbau- und Entsorgungsdepartement ist ein wichtiges Amt, das auch mit seinen Kompetenzen und Interessen gut übereinstimmt. Natürlich ist es für das Sicherheitsdepartement nicht ganz optimal, wieder einen Führungswechsel erleben zu müssen. Aber es ist nicht zu erwarten, dass mit der neuen Vorsteherin, Karin Rykart (Grüne), ein grundlegender Politikwechsel erfolgen wird. Ob die Befangenheitslage mit dem Koch-Areal wirklich ein so grosses Problem darstellt, wie es der Stadtrat offenbar empfindet, kann man durchaus kritisch sehen. Aber obwohl sich die AL in ihrer Medienmitteilung über den Departementswechsel «befremdet» zeigt, werden wohl einige von ihnen heimlich aufatmen. Die AL tat sich bekanntlich nicht immer leicht mit einem alternativen Sicherheitsvorsteher. Im Tiefbauamt wird es sicherlich zu weniger politischen Reibungsflächen kommen.

Auch wenn es im Vorfeld Medienberichte gab, die Filippo Leutenegger Wechselgelüste nachsagten, ist Leutenegger mit der Departementsverteilung klar unzufrieden. Er, seine Partei und erste Kommentare in den Medien sehen dies als Arroganz der Macht an, insbesondere der SP. Hierzu braucht es zuerst einmal  drei Vorbemerkungen. Erstens: Wahlen haben Konsequenzen. Zweitens: Überall, wo Bürgerliche an der Macht sind, also in praktisch allen Kantonen und im Bundesrat, ist es  auch üblich, Departemente machtpolitisch zu verteilen. Und zuletzt: Die SP hat im neuen neunköpfigen Stadtrat nur noch drei Sitze– zu wenig um ein neunköpfiges Gremium eigenhändig zu überstimmen. Und nun zum inhaltlichen: Die Zwangsversetzung von Filippo Leutenegger ist für diesen durchaus bitter, aber nicht ganz unerwartet. Leuteneggers verkehrspolitische Vorstellungen haben sich bereits in den letzten vier Jahren mit der ökologisch orientierten Gemeinderatsmehrheit (SP, Grüne und GLP) gebissen – das hätte sich in den nächsten vier Jahren noch akzentuiert. Die gegenseitige Blockade ist politisch für beide Seiten unbefriedigend. Leutenegger hat sich im ganzen Stadtpräsidiumswahlkampf darüber beklagt, dass er im Stadtrat nichts ausrichten könne. Das hat vielleicht auch zu seinem bescheidenen Resultat in den Wahlen beigetragen – wer wählt schon gerne eine lahme Ente. Der Stadtrat hätte sich überlegen können, Leutenegger das Sicherheitsdepartement zu übertragen, was etwas weniger nach Abstieg aussieht. Das Schul- und Sportdepartement ist aber für den Freisinn – und gerade für Leutenegger – keine unlogische Wahl. In der Bildungspolitik gibt es zwischen der neuen Gemeinderatsmehrheit und Filippo Leutenegger keine schwerwiegenden inhaltlichen Differenzen. Das Projekt «Tagesschulen 2025», das in den nächsten Jahren einen entscheidenden Umbau der Schullandschaft bringt, trägt sogar sehr stark eine freisinnige Handschrift. Zudem hat sich Filippo Leutenegger – unter anderem als Gründer von Kindertagesstätten – stets für Bildungs- und Betreuungsthemen interessiert.

Potenziell problematisch scheinen mir die Zuteilungen der beiden neugewählten Stadträte Andreas Hauri (GLP) und Michael Baumer (FDP). Beide haben die Departemente erhalten, für die sie sich auch interessierten: Hauri übernimmt neu das Gesundheits- und Umweltdepartement und Michael Baumer die industriellen Betriebe. Als IT-Unternehmer hat sich Baumer stets für die technischen Betriebe interessiert gezeigt, sein Wahlkampfslogan «Zürich elektrifizieren» war auch ein klares Zeichen für diese Präferenz. Allerdings hat Baumer in seiner Gemeinderatszeit kein sonderliches Interesse für die Ökologie gezeigt. Die Energiestrategie 2050 des Bundes, die einen Atomausstieg und eine sanfte Energiewende ermöglicht, hat Baumer sogar abgelehnt. Die Industriellen Betriebe sind mit VBZ, EWZ und Energie 360 Grad (die Schreibende ist im Verwaltungsrat dieser Firma) wichtige Schlüsselspieler auf dem Weg in den 2000-Watt-Gesellschaft. Seinem Vorgänger war dies ein echtes Anliegen. Dass dies bei Baumer auch so ist, muss er noch beweisen.

Das Gesundheits- und Umweltdepartement ist im Rahmen dieses Wahlkampfs stark in den Fokus geraten. Das war nicht immer so – das hat Stadtpräsidentin Corine Mauch an der Pressekonferenz des Stadtrates als «Biorhythmus» bezeichnet – die  politische Konjunktur kann sich immer wieder ändern. Es wäre angesichts der Schlagzeilen und der daraus resultierenden Verunsicherung eine Überlegung wert gewesen, einen bisherigen Stadtrat – wohl André Odermatt oder Raphael Golta (beide SP) – in das Departement zu schicken, um dort wieder Ruhe hineinzubringen. So wie Martin Waser (SP)  nach dem Rücktritt von Monika Stocker (Grüne) das Sozialdepartement übernahm. Odermatt und Golta wollten aber wohl beide nicht wechseln – und die Rolle eines Sanierers bedingt auch, dass man dies freiwillig und bewusst tut. Sowohl Hauri wie auch Baumer werden vermutlich eine ziemliche Herausforderung mit der neuen Gemeinderatsmehrheit antreten, zumal in beiden Departementen Ausgliederungsgelüste vorhanden sind. Ob sie hier erfolgreicher sein werden als ihre Vorgänger, wage ich mal zu bezweifeln.

In Winterthur war die Departementsverteilung einfacher: Christa Meier (SP) übernimmt das frei gewordene Baudepartement. Alle bisherigen Stadträte bleiben in ihren Departementen. Es ist zu hoffen, dass der Bau Christa Meier mehr Glück bringt als ihren Vorgängern: Diese wurden nämlich beide abgewählt.