Vor etwas über einem Jahr, am Abend des 19. März wurde das Ende der Credit Suisse bekannt gegeben. Die Ereignisse rüttelten die Öffentlichkeit auf, viel Kritik wurde geäussert. Das Management der CS sei katastrophal gewesen, die Gier der Banker:innen zu gross, die Aufsicht zu schwach. Soweit herrschte Einigkeit, bei den Rezepten sah es denn schon etwas anders aus. Statt die Credit Suisse der UBS für einen tiefen Preis zu überlassen, hätte man sie verstaatlichen sollen, meinten die einen. Andere fanden die Lösung gelungen, weil privatwirtschaftlich. Umstritten waren auch Forderungen nach höherem Eigenkapital und einem Trennbankensystem, also der Trennung zwischen Geschäfts- und Investmentbanking. Aber alle – so war man sich in der Sondersession einig – waren der Meinung, man müsse etwas unternehmen. Und alle fragten sich, wie konnte dies geschehen? Warum hat man nach der Rettung der UBS 2008 nicht griffige Instrumente geschaffen, die es verhindert hätten, dass der Staat wieder eine Grossbank retten muss?
In der letzten Session stellte Thomas Aeschi, Fraktionschef der SVP den Antrag, zwei Motionen für einige griffigere Bankenregulierung in die Kommission zurückzuweisen. Eine davon verlangte, dass es keine Banken mehr geben soll, die «too big to fail» sind, also so gross, dass sie nicht untergehen können. Der Rückweisungsantrag wäre an sich nicht gross der Rede wert. Der Antrag, ein Geschäft, in die Kommission zurückzuweisen, ist ein beliebtes Mittel der Bürgerlichen, etwas, das zu populär wäre, gleich offen abzuschiessen, auf die lange Bank zu schieben. War das in der letzten Legislatur vor allem eine Mode des Ständerats, hat nun auch der Nationalrat damit angefangen. Der Clou am erfolgreichen Antrag von Thomas Aeschi war allerdings, dass es sich bei den Motionen um solche der SVP selber handelte. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth unkte vermutlich treffend, dass das Manöver damit zu tun hatte, dass die Motion für eine Beschränkung der Grösse der Banken mit den Stimmen der SP mehrheitsfähig gewesen wäre. Auch die FDP, die sich in den Tagen nach der Credit Suisse-Rettung ebenfalls mit deutlichen Worten meldete und beispielsweise forderte, dass die Credit Suisse Schweiz erhalten bleiben solle, ist sehr still geworden.
Denn tatsächlich, ein Jahr danach, sieht die Lage schon einiges besser aus. Die UBS funktioniert und konnte dank der Übernahme einen satten Gewinn einfahren. Und das Geld, dass der Staat aufbringen musste, ist mittlerweile längst zurückgezahlt. Die Schweiz hat damit sogar einen Gewinn erzielt. Artur Rutishauser kommentierte in der ‹Sonntags-Zeitung›: «Glück gehabt, sagen die Verantwortlichen und üben sich im Vergessen.» Tatsächlich ist die CS-Krise ziemlich schnell in Vergessenheit geraten. Schon im Wahlkampf im letzten Herbst war sie kein Thema mehr.
Das Problem ist allerdings ungelöst. Die Verantwortlichen haben bisher – ausser etwas Ächtung am Sechseläuten – keine wirkliche Strafe erhalten. Das Risiko einer Bank, die viel zu gross ist, als dass sie scheitern könnte, bleibt. Zumal die UBS noch einiges grösser ist. Sollte sie ins Straucheln geraten, dann bräuchte es 750 Milliarden Franken statt 250 Milliarden, um sie zu retten. Die UBS wies 2023 eine Bilanzsumme von 1718 Milliarden US-Dollar aus. Das ist mehr als doppelt so viel wie das gesamte Schweizer Bruttoinlandprodukt. Damit ist die UBS nicht die grösste Bank weltweit, aber nur, wenn man die Bilanzsumme alleine betrachtet. Wenn man sie ins Verhältnis zur Schweizer Wirtschaftsleistung stellt, so wird sie gemäss ‹Handelszeitung› nur noch von der finnischen Nordea übertroffen, deren Bilanzsumme allerdings wesentlich kleiner ist als die der UBS. Die neue UBS ist damit nicht nur too big to fail, sondern – so fürchtet man – too big to be bailedout, also zu gross, um gerettet zu werden können. Sicher ist, eine Rettung der UBS würde die Schweiz an die Grenzen bringen. Die UBS verweist dabei gerne darauf, dass ihr Geschäftsmodell stabiler ist als jenes der Credit Suisse, weil sie mehr auf Vermögensverwaltung denn auf Investment Banking setzt. Das ist sicher so, nur hatte die CS-Krise auch andere Gründe und Ursachen als jene der UBS 2008. Es ist nicht auszuschliessen, dass in zehn, fünfzehn oder zwanzig Jahren die UBS aus noch anderen Gründen ins Straucheln gerät. Die Gefahr bleibt also und ist potenziell sogar noch grösser geworden.
Wie konnte es also passieren, dass sich heute kaum jemand mehr dafür interessiert? Vermutlich hat das auch mit der Häufung von grossen Krisen in den letzten Jahren zu tun. Ein ähnliches Phänomen zeigt sich im amerikanischen Wahlkampf ab. Während eine dumme und geschichtsvergessene Äusserung von Nikki Haley oder eine schlechte Medienkonferenz von Joe Biden die Medien tage- und wochenlang beschäftigen, sind die verbalen Misstritte von Trump so häufig, dass sie das System überfordern und damit im einzelnen kaum mehr der Rede wert sind. So ist also kein Wunder, ging die CS-Krise vergessen, denn es gibt immer eine Krise, die alles andere überdeckt.
Wenn man ganz ehrlich ist, dann liegt es auch daran, dass das Problem vielleicht etwas einfacher anzuprangern als zu lösen ist. Gegen jedes vorgeschlagene Instrument von der Erhöhung der Eigenmittel bis zur Zerschlagung der Banken gibt es durchaus auch valide Gegenargumente. Und meist helfen die Mittel nur bei der vergangenen, aber nicht bei einer künftigen Krise. Im Nachhi-
nein ist man oft klüger, nur nützt es dann schampar wenig. So ist nicht auszuschliessen, dass am Ende nicht mehr viel übrig bleibt, ausser leicht griffigeren Mitteln für die Finanzmarktaufsicht Finma. Das wäre immerhin etwas, wird aber wohl kaum genügen.
Im April hat der Bundesrat angekündigt, dass er im April einen Bericht zur «Too Big to fail»-Problematik vorlegen will, in dem er auch aufzeigen will, welche Massnahmen er ergreifen möchte. Und Ende Jahr wird die Parlamentarische Untersuchungskommission PUK voraussichtlich ihre Arbeiten abgeschlossen haben. Spätestens dann müsste man einen Schritt weiterkommen. Dazu braucht es aber noch einiges. Die Bürgerlichen müssen die Bereitschaft haben, real etwas unternehmen zu wollen. Und wir Linken müssen griffige und gute Rezepte und Vorschläge liefern. Beides fehlt eigentlich noch. Aber was nicht ist, das kann und muss noch kommen.